20.11.2021 VAZ: Win-win für Biene und Bauer

Pilotprojekt Blühfeld als Zwischenfrucht in Kirchlinteln / Kritik an fehlender Förderung

Guck male was da blüht: Frederik von Bremen und Heinrich Kersten haben auf dem Blühfeld noch Phazelie, Ölleinen und Ölrettich entdeckt. Bienen finden dort also selbst im November noch Nahrung. Foto: Preuss

VON KATRIN PREUSS

Kirchlinteln-Huxhall – Auf den ersten Blick wirkt es wie vergessenes Brachland, bis zum Horizont dicht bewachsen mit Gestrüpp. Wer ei­nen zweiten Blick auf die Fläche in Huxhall, kurz vor der Ortschaft Brunsbrock, wirft, sieht regen Flugverkehr. Bienen und Schmetter­linge finden selbst jetzt, Mitte November, noch Nahrung auf dem weitläufigen Areal. Und da entpuppt sich das vermeintliche Ge­strüpp als verblühte Pracht, die zwar jetzt nicht mehr das Auge, aber immer noch die Fauna erfreut.

„Nahrung, Äsen, Schutz“, zählt Landwirt und Jäger Frederik von Bre­men die Funktionen für die Tierwelt auf, um dann einen Bogen zu schlagen zur Landwirtschaft. Auch sie soll ihren Nutzen aus dem Projekt ziehen, das er vor zwei Jahren gemeinsam mit der Jäger­schaft und dem Verdener Imker Heinrich Kersten startete.

Statt eines sechs Meter breiten Blühstreifens, wie ihn immer mehr Landwirte zugunsten einer größeren Artenvielfalt anlegen, denken Frederik von Bremen und Heinrich Kersten in größeren Dimensio­nen. So entstand 2019 das erste Blühfeld, das sowohl die Belange des Naturschutzes als auch der Landwirtschaft vereinen soll.

Inzwischen Verein gegründet

Mittlerweile ist aus dem Blühfeld-Projekt ein Verein erwachsen. In diesem Monat gründeten sich die Bienenfreunde Verden. Mit dabei für die Jägerschaft ist deren Vorsitzender Jürgen Luttmann, Kreis­landwirt Jörn Ehlers vertritt das Landvolk Rotenburg-Verden. Und auch der Verdener Unternehmer Wolfgang Reichelt zählt zu den Gründungsmitgliedern, berichten Kersten und von Bremen. Reichelt hat seit 2020 auf dem Block-Betriebsgelände in der Max-Planck-Straße eigene Bienenstöcke stehen.

Die Vereinsgründung ist ein weiterer Baustein, um die Kooperation bekannt zu machen und Nachahmer zu gewinnen. „Dieses Projekt hat das Potenzial, es in die breite Landwirtschaft zu bringen“, ist der 39-jährige von Bremen überzeugt.

Ökonomisches Wirtschaften und ökologisches Wirken unter einen Hut zu bekommen, das treibt den Landwirt an. Mit Herzblut und auf eigene Kosten. Denn zum Verdruss der beiden Männer fehlt es an öffentlicher Förderung dieser Mehrleistung für eine biologische Vielfalt.

Landwirte, deren Ackerland mehr als 15 Hektar beträgt, müssen grundsätzlich pro Jahr fünf Prozent dieses Landes als ökologische Vorrangfläche bereitstellen. Das ist eine Grundvoraussetzung, um EU-Fördermittel zu erhalten.

„Wir übererfüllen die gesetzliche Vorgabe von fünf Prozent ökologi­scher Vorrangfläche“, sagt von Bremen. „Aber mehr Naturschutz ist nicht gleich mehr Förderung.“ Hier setzt seine Kritik an.

Von den Landwirten werde immer stärker gefordert, etwas für den Naturschutz zu machen. An sich auch kein Widerspruch, bildet eine gesunde Umwelt doch die Arbeitsgrundlage für eine funktionie­rende Bewirtschaftung,

Doch mehr Vorrangfläche und bei der Zwischenfrucht acht statt zwei verschiedene Kulturen, der höhere Arbeitsaufwand und die hö­heren Saatgutkosten wie bei dem Projekt in Kirchlinteln, das schreckt von Bremens Berufskollegen bislang ab.

Also dienen die Felder des Kirchlintlers bislang eher als ehrenamt­lich bewirtschaftete Versuchsflächen. „Wir sind die kleinen Pioniere“, sagt von Bremen lachend.

Anfang Juli, im Anschluss an die Roggenernte, hat er in Huxhall auf knapp 22 Hektar seine selbst zusammengestellte Saatmischung aus­gebracht. Circa 1200 Kilogramm, hochwertiger, aber auch dreifach kostenintensiver als eine klassische Greening-Mischung mit Ölret­tich und Ölleinen.

Als Zwischenfrucht säte er Ackerbohne, Sonnenblumen, Phacelia und fünf weitere Blüher ein. Kriterium für die Auswahl ist einerseits ein schnelles Wachstum, um unerwünschtes Beikraut wie das Acker-Stiefmütterchen zu unterdrücken und die Bodenfruchtbarkeit zu er­höhen. Andererseits sollen die Pflanzen insektenfreundlich sein.

Landwirt Frederik von Bremen (L) und Imker Heinrich Kersten am Rande des Areals in Huxhall, auf dem im kommenden Jahr das nächste Blühfeld als Zwischenfrucht angelegt werden soll. In der Mitte der Fläche sind noch die überjahrigen Blühstreifen zu erkennen, auf denen zum Test die Imkermischung und die Frühjahrsblüte ausgesät sind. Foto: Preuss
Im November noch aktiv: Heinrich Kerstens Bienen samt Königin. Foto: Preuss
Auf einem Blühstreifen gegenüber dem Blühfeld finden die Männer noch Ringelblume, Borretsch, lnkarnat-, Schweden und Rotklee (linke Hand). Foto: Preuss
„Lockerer wie Blumenerde“, beurteilt Frederik von Bremen den fein durchwurzelten Boden auf seinem Versuchsfeld. Foto: Preuss

Kommendes Frühjahr werden die Pflanzenreste zerkleinert, in die Erde eingearbeitet und Mais gesät. Bis dahin wird das etwa 30 Fuß­ballfelder messende Areal in Ruhe gelassen. Überirdisch findet das Wild dann Schutz und noch immer Nahrung, während sich unterir­disch die Wurzeln und Mikro-Organismen durch den Boden arbei­ten, Stickstoff binden und ihn lockern. Von Bremen greift in die Krume und freut sich über deren Beschaffenheit. „Locker wie Blu­menerde“, stellt er fest.

Auch Heinrich Kersten ist zufrieden. Vorsichtig öffnet er einen seiner Bienenkästen am Rand des Blühfeldes und holt einen der Wabenrahmen heraus. Es krimmelt und wimmelt, mittendrin ist die Bie­nenkönigin, mit einem weißen Punkt markiert, gut zu erkennen.

Selbst jetzt sorgt die Stockmutter noch immer für Nachwuchs. Ein Indikator dafür, dass ihr Volk im November noch ausreichend Nah­rung finde, erklärt Kersten und berichtet von einem weiteren Anzei­chen dafür, dass es den Bienen in den zurückliegenden Monaten gutging: 50 Kilogramm Honig schleuderte ein benachbarter Imker aus einem seiner Stöcke in Huxhall. Andernorts lag der Durchschnitt in diesem Jahr bei 20 Kilo pro Volk.

Dass er nun für das Blühfeld und den von Bremser’schen Mix wirbt, wo es doch die Verdener Imkermischung als Saatgut gibt, ist für Kersten kein Widerspruch. Letztere ist einjährig, muss bis Mitte April ausgesät sein und eignet sich allein deshalb schon nicht als Zwischenfrucht.

Den Vorstoß des Kirchlintlers hält Kersten für eine gute Idee, zu de­ren Verbreitung der Imker gerne beitragen möchte. Je mehr Land­wirte sich daran beteiligen, so die einfache Rechnung bei beiden Männern, desto stärker wird der Druck auf die Politik, Blühfelder als Zwischenfrüchte finanziell zu fördern.

„Es geht darum, die gemeinsame Agrarpolitik zukunftsfähig zu ge­stalten“, formuliert Frederik von Bremen den Gedanken, der dem Blühfeld-Projekt zugrund liegt. Naturschutz gehört für ihn dazu, aber nicht allein auf Kosten der Landwirte.