31.03.2017 VN: Schutz für die Kinderstube

Vollständiger Bericht:

Ab Sonnabend gilt in der freien Landschaft Leinenzwang für Hunde – Bodenbrüter und Jungtiere gefährdet

Von Andreas Becker und Kai Purschke – 31.03.2017

Verden. Es geht um den Schutz von Rehkitzen und den Nachwuchs von Hasen und Kaninchen, aber vor allem auch um die geschützten Bodenbrüter, die ihre Nester auf ebener Erde anlegen und die Küken am Boden aufziehen. Deshalb müssen Hunde während der sogenannten Brut- und Setzzeit an die Leine. Diese beginnt an diesem Sonnabend, 1. April, und dauert bis zum 15. Juli. „In dieser Zeit müssen alle Hunde in der freien Landschaft an die Leine“, sagt Rüdiger Nodorp, Fachbereichsleiter Sicherheit und Ordnung in der Stadt Verden. Das gelte außerhalb der bebauten Gebiete beispielsweise auch für den Stadtwald Verden.

Und der Leinenzwang gilt ebenso für den Alleruferweg, auch dort müssen die Hunde an die Leine gelegt werden. Eine Schutzzone ist auch die Maulohe, wie Thomas Arkenau von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Verden betont. Nicht nur, dass die Tiere geschützt werden müssten, es gelte auch magere, nährstoffarme Böden vor den Hinterlassenschaften der Hunde zu bewahren, die wiederum für eine Düngung der Böden sorgen würden. Die Anleinpflicht gelte also nicht nur für Wälder, sondern auch für Felder und Wiesen. Zu den Bodenbrütern, die in der Region vorkommen, gehören laut Arkenau die Feldlerche, der Wiesenpieper sowie Braunkehlchen, Kiebitz, Uferschnepfe, Brachvogel und Austernfischer. „Diese Vögel brüten am Boden und stochern mit ihrem langen Schnabel im weichen Erdreich nach Nahrung“, beschreibt Arkenau die Lebensweise der geschützten Vögel.

In der Vergangenheit sei die Einhaltung der Bestimmung durchaus kontrolliert worden, auch von der Polizei, warnt Rüdiger Nodorp die Gassigeher. Bei Verstößen werde ein saftiges Bußgeld fällig, das bis zu 5000 Euro betragen könne. Ganz so viel werde die Stadt bei Erstverstößen nicht erheben, aber 100 Euro würden schon fällig, bei „Wiederholungstätern“ auch mehr. Denn der Leinenzwang sei keine Lappalie, sondern in ganz Niedersachsen gesetzlich verankert. In Achim beispielsweise muss es laut der „Verordnung über den Leinenzwang zum Schutz Erholungssuchender“ eine biss- und reißfeste Leine sein, die während der Brut- und Setzzeit nicht länger als 1,50 Meter sein darf. Und doch laufen bei der Stadtverwaltung laut Peter Lehniger, der für Sicherheit und Ordnung zuständig ist, immer wieder Hinweise und Beschwerden aus der Bevölkerung auf, dass sich Hundehalter insbesondere in den landwirtschaftlichen Gebieten der Achimer, Badener, Bierdener und Uphuser Marsch „sowie im ohnehin geschützten Bereich des Landschaftsschutzgebiets Ellisee“ nicht nach dem Gesetz richten. „Auch frei laufende Hunde, die dem Wild nicht hinterher jagen, stellen für die Wildtiere, besonders für Jungtiere und Bodenbrüter, eine Störung oder Gefährdung dar“, argumentiert die Verwaltung.

Sie glaubt, dass den meisten Hundehaltern bekannt sein dürfte, dass Verstöße gegen die Anleinpflicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könne. Die Stadtverwaltung Achim erklärt, dass sie die Einhaltung des Leinenzwangs künftig kontrollieren werde. Wie das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium erklärt, kann die Geldbuße bis zu 5000 Euro betragen. Und: „Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind
die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen dabei in Betracht. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben Ahndungen jedoch in der Regel unberücksichtigt“.

Diese Kontrolle obliegt in den Wäldern den Jägern. Sie dürften einen ausgebüxten Hund, der wildert, erschießen. Dürften, weil dies laut Kreisjägermeister Hilmer Kruse „das letzte Mittel“ und von den Jägern nicht gewollt sei. Das zeige die Tatsache, dass es selten bis zum Äußersten komme. „Aus den vergangenen zehn Jahren ist mir kein Fall bekannt“, sagt Kruse, der selbst noch keinen wildernden Hund erschießen musste. Mit dem Begriff wildern ist nicht das Stöbern eines Hundes im Unterholz gemeint, sondern dass er außerhalb des Einflussbereichs seines Halters Wild aufsucht, verfolgt oder gar reißt. Denn wenn es sich nicht um einen Mops oder anderen kleinen Hund handelt, ist etwa ein weibliches Reh – eine Ricke – demnächst für Hunde leicht zu stellen. Denn in 14 Tagen, schätzt Kruse, sind die Ricken kurz vor der Geburt, tragen bis dahin als schwangere Tiere zwei bis Kitze bei sich und sind entsprechend langsam. „Aber es geht ja nicht nur um den Schutz der Rehe, momentan wird die ganze Natur zur Kinderstube“, erinnert Kruse daran, dass auch Fasane, Rebhühner oder Kaninchen vor wildernden Hunden geschützt werden müssen.

Wie er beschreibt, sind Jäger gehalten, einen wildernden, herrenlosen Hund anzulocken und einzufangen, ehe sie auf ihn anlegen. „Und mit wildern meine ich nicht einen Hund, der seinem Herrchen kurz mal ausgebüxt oder nur neugierig ist“, stellt Kruse klar. Niemand müsse befürchten, dass Jäger nun auf ihren Hochsitzen kauern und durch den Wald streifende Hunde ins Visier nehmen.  Kruse: „Das liegt uns fern. Ein Jäger ist gut beraten, wenn er nicht eine Sekunde – Entscheidung  fällt.“ Selbst wenn ein Jäger auf einen „Mehrfach-Täter“ trifft, so nennt Kruse die unbelehrbaren Hundehalter, sollten klare Worte genügen. „Manchmal vergreifen sich auch unsere Leute im Ton, oder es trifft jemanden, dem der Hund erstmals abgehauen ist, aber wir müssen darauf aufmerksam machen.“ „Es geht nicht nur um den Schutz der Rehe, momentan wird die ganze Natur zur Kinderstube.“
Hilmer Kruse, Kreisjägermeister