04.05.2017 Verdener Nachrichten: Holtum fürchtet sich vor dem bösen Wolf

Originalbericht in den Verdener Nachrichten
Nachweis bringt Gewissheit: Im Geest-Dorf läuft ein Raubtier seelenruhig hinter dem Pflug her

Jörn Dirk Zweibrock 04.05.2017

Landkreis Verden/Kirchlinteln. Treibt etwa schon wieder ein Wolf in Holtum (Geest) sein Unwesen? Nachdem dort im Herbst vergangenen Jahres das erste mutmaßliche Raubtier gesichtet wurde, kursiert nun wieder die Angst vor dem Isegrim unter den Nutztierhaltern. Unter anderem sorgt sich der Holtumer Arne Jacobs um seine drei Angus-Rinder. Zurecht – bei dem Tier, das Ende vergangener Woche von einem Landwirt in Höhe Heid-Berg gefilmt und fotografiert wurde, handelt es sich nach Aussage von Frank Faß, ehrenamtlicher Wolfsberater für den Landkreis Verden, eindeutig um einen Wolf. Der entsprechende C1-Nachweis, so heißt es im Fachjargon, liege mittlerweile vor. „Ich habe die Dokumentation zuvor nach Hannover weitergeleitet. Beim Wolfs-Monitoring hat ja die Niedersächsische Landesjägerschaft den Hut auf“, erläutert Faß. Bereits im Frühjahr 2016 wurde nach einem Nutztier-Riss in Schmomühlen eindeutig ein Wolf im Kirchlintler Gemeindegebiet nachgewiesen. Die Auswertung der genetischen Untersuchungen in einem südhessischen Labor lieferte damals schwarz auf weiß den entsprechenden Beweis

Holtum-Geest: Angst vor dem Wolf © Karsten Klama

Arne Jacobs sorgt sich um seine Rinder. In Holtum wurde schon der zweite Wolf gesichtet. Und nachgewiesenermaßen handelt es sich dabei auch tatsächlich um einen. (Karsten Klama)
„Hier“, sagt Arne Jacobs, wischt mit dem Finger über das Display seines Smartphones, klickt das Handy-Video an, das ihm der Holtumer Landwirt geschickt hat. „Hier läuft der Wolf ganz relaxt hinter dem Pflug her.“ 45 Sekunden dauert die Aufnahme. Sie zeigt ein hundeähnliches Tier, das seelenruhig hinter der Landmaschine her trabt, überhaupt keine Scheu vor Mensch und Maschine zeigt, nicht die geringsten Anstalten macht, wegzurennen. „Andere haben zur Konfirmation ein Fahrrad oder eine Stereo-Anlage bekommen, ich eine Kuh“, möchte Tierfreund Arne Jacobs seine drei Angus-Rinder keinesfalls missen. „Sie stehen hier auf Weide ein bisschen wie angerichtet. Der Wolf hätte also leichtes Spiel“, hofft der Holtumer insgeheim, dass sich der Isegrim aufgrund ihrer Körpermasse (jeweils 400 Kilo) nicht an das Angus-Trio heran traut. Der Weidezaun misst gerade einmal einen Meter Höhe. Damit er nach einem Nutztier-Riss eine Entschädigung bekommt, müsste Jacobs seinen Zaun also „wolfssicher“ machen, ordentlich aufrüsten und die elektrische Spannung erhöhen. Will er aber nicht. Sollte das Raubtier künftig öfter am Rande des Geest-Dorfes auftauchen, würde sich Jacobs wohl schweren Herzens von seinen Tieren trennen. „Für mich ist das nur ein Hobby, andere leben schließlich davon“, weiß er um die Sorgen und Nöte der Nutztierhalter in der Gemeinde Kirchlinteln. So hat sich Schäfer Dirk Storch aus Nedden beispielsweise in der Vergangenheit extra ein Batterie betriebenes Fox-Light angeschafft, eine spezielle LED-Leuchte (wir berichteten).
Im Winter haben die Christdemokraten aus der Gemeinde Kirchlinteln die von ihnen gestartete Petition „Wölfe brauchen wir hier nicht“ an den niedersächsischen Landtagspräsidenten Bernd Busemann überreicht. Nein, ausrotten wollen die Konservativen den Isegrim nicht, sie wollen die Wolfspopulation im Land allerdings deutlich regulieren. „Rund 1300 Menschen haben unterzeichnet“, erklärt Wilhelm Hogrefe, Initiator der Petition, nicht ohne Stolz. Mitglied im Petitionsausschuss des Landtags ist der hiesige CDU-Landtagsabgeordnete Adrian Mohr. „Weil es sich um eine Eingabe aus meinem Wahlkreis handelt, bin ich natürlich nicht zuständiger Berichterstatter“, erläutert er. Auch, dass die Bearbeitung einer Petition durchschnittlich ein halbes Jahr in Anspruch nehme.
Bei der Übergabe der Petition in Hannover war auch der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Verden, Jürgen Luttmann, dabei. „In puncto Wolf schlagen bei mir als Jäger natürlich mehrere Herzen in der Brust“, sagt er. Er beurteilt die Thematik Wolf dementsprechend unter verschiedenen Gesichtspunkten: als Bewohner des ländlichen Raumes, als Arten-, Natur- und Tierschützer und letztendlich natürlich auch als Jäger. Luttmann plädiert jedenfalls für eine Regulation der Wolfspopulation in Niedersachsen, spricht sich dafür aus, dass idealerweise die Elterntiere eines jeden Rudels mit einem Sender ausgestattet werden. „In Finnland wird beispielsweise die Wolfs-Population auf 300 Stück begrenzt. Und dabei ist das Land doch sieben mal größer als Niedersachsen und hat längst nicht so viele Einwohner wie wir“, rechnet der Vorsitzende der Kreisjägerschaft vor. Nach dem Beispiel der Rotwild-Regulierung könnte seiner Auffassung nach auch beim Wolf vorgegangen werden. „Wir wollen den Wolf nicht ausrotten“, betont der Waidmann einmal mehr, „wir wollen, dass der Wolf Respekt vor den Menschen hat und sich die Anzahl der Rudel unserer Kulturlandschaft anpasst“. Ein Tier, das sich jährlich aus eigener Kraft um bis zu 30 Prozent vermehre, sei nun einmal nicht vom Aussterben bedroht.
Während die Liberalen die Aufnahme des Isegrims in das Jagdrecht – bei ganzjähriger Schonzeit – fordern, sieht Wolfs-Experte Frank Faß dies jedoch nicht als zielführend an: „Wölfe sind hoch soziale Lebewesen und benötigen Führung. Deswegen können die Elterntiere schon einmal nicht geschossen werden. Und weil Jährlinge erwachsenen Wölfen zum Verwechseln ähnlich sehen, scheiden folglich auch diese aus. Bleiben also nur noch die Welpen. Die richten aber keinen Schaden an, das tun nur die Eltern oder Jährlinge. Insofern ist es von größter Wichtigkeit, dass wir die Nutztierhalter für den Schutz ihrer Tiere gewinnen.“ Bei der Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Landesverband Niedersachsen/Bremen, war Ende März auch Niedersachsens Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel (Grüne) zu Gast in Verden. Den Nutztierhaltern hat er damals Verbesserungen beim Herdenschutz versprochen. Wurden bislang nur gewerbliche Halter gefördert, sollen nach Aussagen des Ministers künftig auch Hobby-Nutztierhalter Zuwendungen für den Bau eines Herdenschutzzaunes (bis zu 80 Prozent der Materialkosten) oder für die Anschaffung eines Herdenschutzhundes erhalten. Außerdem kündigte er an, Genehmigungsabläufe für die Vergrämung und Besenderung zu vereinfachen.
Frank Faß legte auf der Versammlung dar, dass 2016 insgesamt 13 Rinder in Niedersachsen vom Wolf gerissen wurden – und zwar überwiegend Kälber und Färsen. 2015 seien es dagegen lediglich vier gewesen. Für Jürgen Luttmann ist der Wolf jedenfalls immer noch „der Tod der offenen Weidehaltung“.

„Nächstes Jahr um diese Zeit stehen bei mir vier Wochen alte Kälber auf der Weide“, will sich Arne Jacobs gar nicht erst ausmalen, was seinen Vierbeinern dann alles passieren könnte.

„Der Wolf ist der Tod der offenen Weidehaltung.“ Jürgen Luttmann