Zum Leserbrief „Schämt euch, Heger“ vom 12. August von Dr. Detlev Richter anlässlich des Beitrages vom 10. August 2017 „Das Rebhuhn ist nicht verloren“ schreibt Prof. Dr. Hermann Müffelmann aus Verden:
Wo nehmen Sie eigentlich ihre wissenschaftliche Approbation her, Herr Richter, wenn Sie Ihr eigenes Nichtwissen unterstreichen, was ein Lerchenfenster ist und welchen Nutzen das Rebhuhn überhaupt hat, und im gleichen Zuge mit Nichtwissen behaupten, dass die intensive Landwirtschaft dafür verantwortlich sei, dass es genug Futter für die Prädatoren Fuchs und Dachs gibt – ohne dass die Biodiversität gefährdet ist?
Sie sind und haben sich auch nicht umfassend informiert: die intensive Landwirtschaft – oder besser gesagt die europäischen bundespolitischen Agrarbedingungen und Fördertöpfe, die die wirtschaftliche Ausrichtung der Landwirte vorgeben, sind – neben dem Verbraucher selbst als Vorteils Nutzer – hauptsächlich Verursacher für den Rückgang sämtlicher Bodenbrüter.
Die gleichen Adressen sind auch verantwortlich für den dramatischen Rückgang aller Insekten um 80 Prozent vom Jahr 1982 bis zum Jahr 2017. Zum einen ist die vielfältige und kleinflächige Kulturlandwirtschaft der 70er-Jahre verschwunden und großflächigen Biomaisfeldern gewichen. Damit ist vielen Bodenbrütern die überwiegend vegetarische Nahrungsgrundlage entzogen worden. Das zum Teil mehrjährige und großflächige Spritzen gegen „Schädlinge“ der Kulturen hat dann schließlich auch die restliche tierische Nahrung von Kleininsekten verschwinden lassen.
Die Jägerschaft mit ihrem Hegefond hat – übrigens im Landkreis Verden auch in erfolgreicher Zusammenarbeit mit anderen Naturschutzorganisationen – dafür Sorge getragen, dass das Rebhuhn „noch nicht ganz“ verloren ist. In mühseliger Kleinarbeit haben die Helfer in vielen ehrenamtlichen Stunden Kleinbiotope, in denen sich die Bodenbrüter „zurückziehen“ können, geschaffen. Damit konnte sehr vielen Vögeln das Überleben in ihrer Art wohl gesichert, aber keinesfalls von der roten Liste gestrichen werden: die Bekassine ist vom Aussterben bedroht, das Rebhuhn und der Kiebitz stark- und die Feldlerche zumindest gefährdet. Tendenz in der Biodiversität: nach wie vor stark abnehmend. Diese kleinen Rückzugsgebiete sind in den riesigen biodiversitätsarmen Maislandschaften ein Magnet für alle Prädatoren. Ein umfassendes Forschungsprojekt des DJV über mehrere Jahre hat ergeben, dass der größte Feind des Bodenbrüters Fasan die mangelhafte Ernährung ist – Ursache bekannt!
Der zweite Feind ist das Unterschreiten einer Mindestgröße und damit auch das Überleben einer Population, die nur dann gesichert ist, wenn die Ausfälle bei den Muttervögeln und Küken infolge des Prädatoren-Druckes (> 30 Prozent) durch eine genügend große Anzahl im Vorkommen von autochthonen Hennen selbst ausgeglichen werden kann.
Die Anzahl der Bodenbrüter in einem gesicherten Vorkommen in den fragmentarischen Rückzugsgebieten ist als solches keinesfalls überzeugend! Das Hegefond-Management interessiert aber weder den Fuchs, noch den Marder. Sie räubern beziehungsweise „ernähren sich“ wie auch der Wolf nach Angebot und Nachfrage entsprechend wirtschaftlichen Gesetzen: wenig Einsatz, schnelle Beute, ideale Bedingungen in den Kleinstbiotopen. Insofern ist es sehr lobenswert, wenn die Jägerschaft verstärkt mit Fallen den Prädatoren nachgeht, um die Vielfalt der Bodenbrüter in ihrer Art zu schützen.
Wenn Ihnen das nicht passt, dann bitte gehen Sie Herr Richter mit gutem Beispiel voran: Sie kehren der intensiven Landwirtschaft den Rücken und wir kommen damit zurück zur kleinflächigen vielfältigen Kulturland- und Landwirtschaft mit einer größeren Biodiversität. Dann aber kaufen Sie bitte auch Ihr Steak und ihre Kartoffeln nicht beim Discounter, sondern für ein paar Euro mehr beim Metzger und beim Biobauern.
Die Bundesrepublik Deutschland erzeugt gemessen an der Kaufkraft die „billigsten“ Lebensmittel in ganz Westeuropa. Der Preis dafür ist die abnehmende Biodiversität, der die Jägerschaft und auch andere Naturschutzverbände verzweifelt versuchen, entgegenzuwirken.
Originalbeitrag:
15.08.2017 VAZ: Verzweifelt gegen die abnehmende Biodiversität
Leserbrief, auf den Bezug genommen wird:
12.08.2017 VAZ: Schämt Euch Heger