Marius Merle
Die stetig wachsende Population an Nutrias sorgt im Landkreis Verden zunehmend für Sorgenfalten. Denn die Nagetiere können durch ihre unterirdischen Gänge große Schäden anrichten.
Immer mehr Nutrias bevölkern insbesondere Niedersachsen und somit auch den Landkreis Verden. (Andreas Arnold/dpa) Auf den ersten Blick kommen die Tiere eigentlich ganz possierlich daher. Besonderer Blickfang ist die durch Eiseneinlagerung entstehende leuchtend orange Färbung der Nagezähne. Die Rede ist von Nutrias, auch Biberratten genannt. Eigentlich stammen sie aus Südamerika, doch als invasive Art sind die Pelztiere auch nach Deutschland gekommen und die Population steigt seit Jahren rasant an. Deswegen gelten sie vielerorts bereits als Plage – und auch im Landkreis Verden bereiten die Nutrias immer mehr Sorgen.
Denn die Tiere richten mit ihren Höhlenbauten erhebliche Schäden an Gewässer- und Deichböschungen an. Bis zu 65 Zentimeter groß und acht bis zehn Kilogramm schwer werden die Nutrias. „Dementsprechend große Gänge bauen sie auch“, sagt Peter Neumann, Geschäftsführer des Mittelweserverbandes. Und nicht nur die direkten Uferbereiche seien betroffen, da die Gänge bis zu 15 Meter ins Binnenland reichen würden. Die Stabilität der Deiche gerät so in Gefahr und unter anderem auch für die Landwirte sind die unterirdischen Tunnel unter ihren Flächen ein Ärgernis. Nutrias sorgen laut Neumann somit für ein „hohes Schadpotenzial“.
Und dieses Potenzial steigt logischerweise mit ihrer Anzahl. Und diese kann sehr schnell wachsen, weil sich die Tiere „explosionsartig“ vermehren, wie es Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, bezeichnet. Denn zwei- bis dreimal im Jahr können die Muttertiere bis zu zehn Junge werfen, die dann wiederum nach nur einem halben Jahr geschlechtsreif sind. Um die Population im Landkreis einigermaßen einzudämmen, ist die Jägerschaft gefragt. Zahlen belegen, dass diese damit seit geraumer Zeit alle Hände voll zu tun hat. Laut Luttmann seien vor etwa vier Jahren die ersten Nutrias im Landkreis Verden geschossen wurden. Waren es zunächst nur rund zwei Dutzend der Nagetiere im Jahr, stieg die Zahl 2019 auf etwa 650 an. „Dieses Jahr werden es weit über 1000 werden“, ist sich Luttmann sicher. Sechs Euro Schwanzprämie zahlt der Mittelweserverband pro erlegtem Tier. Und Neumann macht sich keine Illusion, dass die Auszahlungen in absehbarer Zeit weniger werden könnten. Er gehe davon aus, dass das Problem vorerst weiter zunehmen werde. Das betrifft insbesondere in Niedersachsen viele Orte, überall schlagen Jäger, Wasserverbände und Kommunen Alarm. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat daher drei hauptamtliche Nutriajäger eingestellt, wie Luttmann berichtet. Diese wiederum schulen und betreuen die lokalen Jäger bei dem Thema. Der Vorsitzende der Jägerschaft setzt ebenso wie seine Kollegen inzwischen vermehrt auf spezielle Fallen.
Wie drängend das Nutria-Problem in Niedersachsen ist, zeigt sich daran, dass für die Jagd sogar der Mutterschutz aufgehoben wurde. „Den halten wir als Jäger eigentlich sehr hoch“, betont Luttmann. Aber bei diesen Tieren, die sich quasi das ganze Jahr über vermehren, sei eine Eindämmung der Population sonst überhaupt nicht möglich. Ohnehin bleibt die Frage, ob dies überhaupt gelingen kann. Für Neumann reichen die bisherigen Maßnahmen schlichtweg nicht aus. Die Niederlande, durch ihre Lage unterhalb des Meeresspiegels besonders empfindlich was poröse Deiche angeht, investiere jedes Jahr 30 Millionen Euro nur für den Kampf gegen Nutrias. „In Deutschland müsste sich auch etwa der Landkreis mehr beteiligen“, fordert der Geschäftsführer des Mittelweserverbandes.
Bekannt sei das Problem im Verdener Kreishaus sehr wohl, wie Silke Brünn, Leiterin des Fachdienstes Wasser, Abfall und Naturschutz des Landkreises, erzählt. Doch die geforderte Handlungsnotwendigkeit des Landkreises sieht sie nicht. „Wir verlassen uns da auf die handelnden Verbände“, räumt Brünn ein, die das Thema auch noch nicht als akut einstuft. „Wir haben noch nicht das Problem, dass die Deiche nicht mehr sicher sind“, befindet sie. So entspannt ist Luttmann schon länger nicht mehr. „Die Auswirkungen sind schließlich schon da“, sagt er und stuft die Lage selbst als durchaus „bedrohlich“ ein.