21.08.2020 VAZ: „Ottersberger Weg“ auf gutem Weg

„Kreative Lösung“ verknüpft Interessen in der Wegrandstreifenproblematik

Blicken beim Ortstermin zuversichtlich auf den erreichten Kompromiss: Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, Hartmut Henke als Vorsitzender vom Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft, Landwirt und Gastgeber Heiko Gieschen, Initiator Wolfgang Mohr, Landwirt Dirk Gieschen, Bürgermeister Tim Willy Weber, Harald Steege als Vorsitzender der Freien Grünen Bürgerliste Ottersberg (FGBO) und Christian Intemann, zweiter Vorsitzender des Landvolkkreisverbands Rotenburg- Verden (v.l.). Fotos: Schmidt

VON INGO SCHMIDT

Ottersberg – Die Initiatoren des „Ottersberger Weges“ ziehen eine Zwischenbilanz: „Die Wegrandstreifenproblematik führt in jeder Kommune zu Konflikten“, weiß Bürgermeister Tim Willy Weber. „Wir haben hier für Ottersberg eine kreative Lösung gefunden“, sagte er jetzt beim Ortstermin auf dem Hof von Landwirt Heiko Gieschen. Grund für vielfachen Unmut in den Gemeinden ist eine stillschweigende landwirtschaftliche Nutzung von Wegrandstreifen an öffentlichen Gemeindewegen.

Die Initiative „Ottersberger Weg“ widmet sich dieser Problematik mit einer besonderen Idee und führte damit die Interessen der unterschiedlichen politischen Fraktionen zusammen. Kern des Konzepts ist die freiwillige Einrichtung von ökologisch wertvollen Ausgleichsflächen durch die Landwirte. Der Ottersberger Gemeinderat hat diesem Programm im Frühjahr 2019 zugestimmt, das nun in der zweiten Pflanzperiode umgesetzt wird und über drei Jahre angesetzt ist. Danach möchte der zuständige Ausschuss Umwelt und Landwirtschaft die Sinnhaftigkeit der Maßnahme erneut prüfen.

Die Idee dahinter: Blühstreifen sollen als Ausgleichsflächen flexibel dort ausgewiesen werden, wo sie aus landwirtschaftlicher und ökologischer Sicht sinnvoll sind. Denn ein schmaler Streifen eines Wegrands, der einem Acker wieder abgerungen werde, biete Tieren und Insekten nur wenig Schutz und kaum ausreichend Lebensraum für beispielsweise Bodenbrüter. Besser sei es, so der Grundgedanke, ein Ausgleichssystem zu etablieren, das in einem sogenannten Zielflächen-Pool mündet. Die Beteiligten sollen sich untereinander einigen, wo die Ausgleichsflächen geschaffen werden. Diese sollen dabei aber möglichst so angelegt sein, dass eine nachhaltige Vernetzung der Flächen gefördert werde.

Verwaltung und Landwirte ziehen gleichermaßen Vorteile daraus: Die Landwirte müssen weder auf ihre Bewirtschaftungsflächen verzichten noch Förderanträge neu stellen, und der Flecken hat kaum bürokratischen Aufwand oder Kosten.

Wolfgang Mohr, als Vertreter der Jägerschaft, hatte 2017 wichtige Vorarbeit geleistet. In mühevoller Feinarbeit setzte er Katastergrenzen ins Verhältnis zu Bewirtschaftungsgrenzen und berechnete so eine Zielfläche für Ausgleichsmaßnahmen. Seit dem Frühjahr 2019 legen nun die Landwirte entsprechende Flächen an. Im ersten Jahr sollen 40 Prozent erreicht werden, im zweiten 60 Prozent und im dritten 80 Prozent. „Die Zahlen wurden bislang erreicht, beziehungsweise im ersten Jahr übertroffen“, bilanziert Weber.

Als Beispiel führt Landwirt und Lohnunternehmer Dirk Gieschen einen Acker zur Zucht von Saatkartoffeln an. Zulassungsregulatorische Vorgaben verlangen eine Flächengröße von weniger als drei Hektar. Um ein solches Maß zu erreichen, teilte er eine große Fläche durch einen breiten Blühstreifen und erreichte so gleichfalls eine Vernetzung von Blühstreifen.

Im darauffolgenden Jahr ändert er die Fruchtfolge und pflanzt dort beispielsweise Weizen. Ein Blühstreifen dort sei dann weniger sinnvoll und werde dafür woanders und gegebenenfalls von einem anderen Landwirt als neue Ausgleichsmaßnahme angelegt.

Eine Kontrolle erfolgt über die jeweiligen Ortslandwirte der Gemeinde Otterberg, die über Fragebögen die Flächen erfassen und dokumentieren. Eine Rücksprache erfolge in der jährlichen Ausschusssitzung für Umwelt und Landwirtschaft. „Wir haben bisher ehrliche Antworten erhalten und Vertrauen gewonnen“, erklärt Tim Willy Weber als früheres Ausschussmitglied. So ziehen alle Beteiligten eine positive Zwischenbilanz.

Initiator Wolfgang Mohr verzeichnet nach fast zweijähriger Testphase bereits mehr Federwild auf den Flächen mit Nachwuchs. „Da sich die Küken von Insekten ernähren, können wir daraus schließen, dass eine Zunahme der Insektenpopulation erfolgt ist“, stellt der Jäger fest.

Im kommenden Jahr wolle die Initiative zusätzlich zur sogenannten „Verdener Mischung“ eine Frühblühersaat ausbringen, um die Bedingungen für Bodenbrüter wie Lerche oder Rebhuhn weiter zu verbessern.