13.04.2021 VAZ: Wenn selbst die Kiefern schlappmachen

Wie der Klimawandel den heimischen Wald verändern wird / Aufforstungsaktion in Heins

Abgeknappert: Heinrich Luttmann (links) und Jürgen Luttmann zeigen die Verbissschäden durch das Wild an Douglasie und Kiefer in einer Heinser Schonung. Foto: Leeske

VON HENNING LEESKE

Heins – „Der Klimawandel wird den deutschen Wald dauerhaft ver­ändern“, weist der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft Verden, Heinrich Luttmann, auf die Herausforderungen der heimischen Wälder hin. Trockenheit und Sturmschäden hinterließen beispiels­weise im Forst bei Klein Heins Spuren und viele Bäume wurden zerstört.

„Auch bei uns im Landkreis Verden traten in den letzten, durch Hitze und Dürre geprägten Jahren, erhebliche Schäden auf. Der Borkenkä­fer vernichtete große Fichtenbestände, unsere Eichen werden durch verschiedene Insekten bedroht. Auch die Buchen sind stark geschä­digt und sogar die als unverwüstlich und robust geltende Kiefer lei­det unter Pilzbefall und stirbt ab“, berichtet Luttmann in Heins. Dort gibt es etwa einen Hektar ehemaligen Fichtenwald, den seine Eltern zusammen mit ihm und seinem Bruder Jürgen Luttmann als Kind gepflanzt hatten. Im vergangenen Jahr wurde dieser Fichtenbe­stand allerdings vom Borkenkäfer befallen. Der Harvester musste kommen und den kleinen Wald komplett roden.

Beim Sturm 1962, der damals in Hamburg die große Sturmflut brachte, sei hier ein damals fast erntereifer Kiefernwald geworfen worden. Somit muss an dieser Stelle schon zum zweiten Mal inner­halb einer Generation wiederaufgeforstet werden.

Nach dem Waldgesetz sind die Waldbesitzer übrigens dazu auch verpflichtet. „Die Kiefern wurden um 1880 gepflanzt und waren in den Sechzigern schon fast erntereif. Die Fichten waren auch gerade dabei ins Geld zu wachsen, jetzt deckte der Holzerlös kaum die Aufarbeitungskosten. Trotzdem werden wir wieder neu anpflanzen“, sagt Heinrich Luttmann.

Hier sollen nun, um dem Klimawandel gerecht zu werden, Dougla­sien, Küstentannen und Roteichen als Mischwald angepflanzt wer­den. „Vermutlich wird die Fichte und eventuell auch die Buche in den nächsten Jahrzehnten in unserer Heimat nicht überleben. Was heute heimisch und vertraut ist, wird morgen so nicht mehr da sein. Wir müssen jetzt Versuche mit Gastbaumarten anlegen und probie­ren, mit diesen und unseren heimischen Baumarten Mischwälder zu begründen, die im Klimawandel bestehen können“, erläutert Luttmann die Veränderungen.

Allerdings nennen die beiden Heinser ein Hindernis für die kosten­günstige Wiederaufforstung: den hohen Schalenwildbestand, also zu viele Rehe und Hirsche, in unseren Wäldern. Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Jürgen Luttmann tritt für eine konsequente Bejagung im Bereich der nicht eingezäunten Wiederaufforstungen ein, hier sollten auch die neuen Jagdzeiten konsequent genutzt werden. „Ganz ohne die kostspieligen Wildschutzzäune wird es aber nicht ge­hen“, ist Jürgen Luttmann überzeugt. Besonders bei kleinflächigen Anpflanzungen oder bei Baumarten, die bisher im lokalen Bereich der Aufforstungen nicht zu den Hauptbaumarten gehören, muss ein Wildschutzzaun gezogen werden. „Die weichen, zarten Triebe der unbekannten jungen Setzlinge üben eine solche Anziehungskraft auf das Wild aus, dass selbst deutlich reduzierte Wildbestände die Aufforstung zunichtemachen würden“, so der Vorsitzende der Verdener Jägerschaft. Grundsätzlich müsse der Wildbestand auf ein für den Wald verträgliches Niveau gebracht werden, sodass großflä­chige Aufforstungen mit standortüblichen Bäumen ohne Wildschutzzaun möglich sind.

Ein Wildschutzzaun verursacht einen erheblichen Teil der Kosten für die Wiederaufforstung. Foto: Leeske

Damit solle ein Brückenschlag zwischen Forstwirtschaft und den jagdlichen Interessen hergestellt werden, denn ein gesunder Wald sei für den Klimaschutz auch im Landkreis Verden wichtig. „Unsere Wälder sind von existenzieller Bedeutung als Sauerstofflieferant und Klimaschützer. Es handelt sich daher um eine gesamtgesellschaftli­che Herausforderung, unsere Wälder mit Blick auf die kommenden Generationen zu stabilisieren“, so Heinrich Luttmann. Jedoch könn­ten die Waldbewirtschafter den klimaresilienten Waldumbau und die Pflege der Wälder nicht mehr allein aus dem Holzverkauf be­streiten. „Ein Hebel sei daher die Honorierung der Klimaschutzleistung des Waldes, um für ausreichend Unterstützung zu sorgen“, for­dern beide.

Beispielsweise könnten die Gelder, die aus der CO2-Bepreisung des Gebäude- und Verkehrssektors eingenommen werden, im Wald richtig angelegt werden. „Wald und Holz sind die besten Klimaschüt­zer“, erläutert Heinrich Luttmann. „Wer den Klimaschutz ausbauen und gleichzeitig CO2-Emissionen senken will, muss in den klimasta­bilen Waldumbau investieren.“

Rund zwei Millionen Waldeigentümer stünden bundesweit den be­sonderen Herausforderungen gegenüber. Viele Waldbesitzer müss­ten bei sinkenden Holzpreisen und schwindenden Einnahmen in den Waldumbau investieren. „Wir müssen für uns die Frage beant­worten, welche Baumarten die nächsten Jahrzehnte überstehen“, führte Heinrich Luttmann aus. „Die Waldeigentümer bewirtschaften in Deutschland im Durchschnitt weniger als drei Hektar Wald. Daher brauchen wir besondere Anreize für den Kleinprivatwald, um des­sen Engagement zu erhöhen“, sagt er.

Die Wälder seien ein wichtiger Erholungsort für die Bevölkerung, sie seien Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, Wasserfil­ter und Klimaschützer. „Die Wälder sind unsere Lebensgrundlage und damit systemrelevant“, so Heinrich Luttmann. Außerdem sei ge­rade der Wald immer ein Generationenvertrag. Auch dort wo in Heins jetzt eine riesige freie Fläche im Forst auszumachen ist. Mit ei­ner Größe von rund 100000 Quadratmetern wird hier durch Neuan­pflanzung ein klimafitter Mischwald entstehen. „Dort, wo wir beide vor über 50 Jahren mit unseren Eltern Bäume pflanzten, wiederholen dies jetzt unsere Enkel“, so beide abschließend. lee