Verden – Es sind nur Indizien. Die allerdings fügen sich wie die Teile eines Puzzles ineinander und lassen, zusammen betrachtet, den Verdacht aufkommen, dass im Verdener Stadtwald ein Wilderer sein Unwesen treibt. Das vermuten jedenfalls die Jagdpächter in diesem Bereich, Martin Jonas aus Achim (Stadtjagd Verden), Gerhard Cordes aus Kirchlinteln (Jagd Schnuckenstall) sowie die Verdener Lars und Jan Gerken (Gemeindejagd Scharnhorst), deren Reviere aneinandergrenzen.
Eine entsprechende Anzeige bei der Polizei in Verden ist erstattet. Nun wird ermittelt. Die Strafen, die das Strafgesetzbuch für die Jagdwilderei vorsieht, sind nicht unerheblich. Sogar ein Freiheitsentzug ist möglich, im besonders schweren Fall bis zu fünf Jahre.
„Es hat einige Vorfälle gegeben, auf die wir uns zunächst keinen Reim machen konnten“, berichtet Gerhard Cordes. Zunächst war da der Fund eines toten Damwildkalbes Ende des vergangenen Jahres. Spaziergänger hatten das noch schwach atmende Tier an einer Unterführung der Autobahn 27 entdeckt und den Kirchlintler als zuständigen Jagdpächter informiert.
Als er den Fundort erreicht habe, sei das Kalb bereits tot gewesen. Die Ursache: ein Kopfschuss. Cordes stellte das Tier sicher, auch, um bei Bedarf das Kaliber ermitteln zu können, mit dem es erlegt worden war. Zudem fragte er bei der Polizei nach, ob dort für den betreffenden Bereich eine Meldung über einen Wildunfall vorliege. Schließlich hätte es ja sein können, dass das Damwildkalb sich nach einem missglückten Gnadenschuss durch die Polizei noch 200 Meter von der Straße weggeschleppt hätte. Doch dem war nicht so.
Zudem hatte, wie Jonas und Cordes berichten, Lars Gerken einmal in der Dämmerung Leute in seinem Revier beobachtet, die „abenteuerlich gekleidet“ gewesen seien. Tarnkleidung hätten sie angehabt.
Mitte Januar dann erfuhr Martin Jonas von einem Anwohner des Stadtwaldes, der nachts Schüsse gehört habe, so laut, dass die auf ein großes Kaliber schließen ließen. Die Frage, ob er der Verursacher gewesen sei, verneinten der Achimer und auch seine Reviernachbarn.
Am Folgetag und dann noch ein drittes Mal erreichte den Jäger die Nachricht von der nächtlichen Knallerei. „Immer zwischen Mitternacht und 3 Uhr“, berichtet Jonas und erklärt, warum sich das quasi schon aufgrund der Tiervorkommen ausschließt.
Größeres Damwild sichten die Männer in ihren Revieren relativ selten. „Das zieht nur durch“, sagt Martin Jonas. Und Wildschweine, die, im Gegensatz zu dem anderen Wild, eben nachts geschossen werden dürfen, kommen gar nicht vor.
In den genannten Revieren ist vor allem Rehwild zu Hause. „Deshalb kann man relativ gut merken, ob es mehr oder weniger wird“, erklärt Gerhard Cordes. Martin Jonas nimmt den Faden auf, berichtet von einem Bestandsrückstand zwischen 70 und 80 Prozent, den er in den zurückliegenden drei Jahren beobachtet hat.
„Mehr Unfallwild, das war so mein erster Gedanke“, sagt er. Die in den Abschussplänen registrierten Zahlen über derlei Crashs spiegeln das allerdings nicht wieder. Und obwohl die Zahl der Tötungen durch freilaufende Hunde nach den Beobachtungen von Jonas in der Vergangenheit stark zugenommen hätten, schließen die Jäger auch dies als Ursache aus. Denn dann wären deutliche Spuren zurückgeblieben.
Das gleiche Ausschlussprinzip, da sind sich die Männer einig, gelte für den Wolf: Es gibt keine Sichtungen und keine Kadaverfunde.
Und auch den gestiegenen sogenannten Freizeitdruck vermuten die Jäger nicht als Ursache für den Schwund. Zwar hätten gerade in der Pandemie viele Menschen den Waldspaziergang wieder für sich entdeckt. Eine Verdrängung des Wildes aus dem stadtnahen Forst hätte aber zu Zuwächsen in anderen Revieren führen müssen. Das aber habe niemand festgestellt.
Nun geht es den Männern darum, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und sich bei verdächtigen Beobachtungen ruhig mal an die Polizei zu wenden. Nicht wegen des finanziellen Schadens, der ihnen durch die Wilderei entsteht, auch wenn das die Männer natürlich ärgert. Und nicht nur, weil Wilderei ein ungeplanter Eingriff in die Natur ist und es beispielsweise passieren kann, dass eine Ricke geschossen wird und dadurch ein Kitz unversorgt zurückbleibt.
Im Vordergrund steht bei den Jägern der Sicherheitsgedanke. „Es geht nicht, dass die Leute hier einfach rumballern“, sagt Martin Jonas. Denn mittlerweile, das bestätigt auch Kreisjägermeister Hilmer Kruse, müsse man „zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Joggern, Spaziergängern und Mondscheinguckern rechnen“.