01.02.2022 VAZ: Wie der Wolf Respekt „lernt“

Kreislandwirt mit Vorstoß zu „erzieherischen Maßnahmen“ / Nabu: „Ohne uns!“

„Schon einiges zum Schutz vor Wölfen getan": Kreislandwirt Jörn Ehlers an einem Zaun, der Nutztiere vor dem „Besuch" ungebetener vierbeiniger Gäste schützen soll. Foto: Landvolk

VON HEINRICH KRACKE

Verden – Der Kreislandwirt plötzlich im Schafspelz? Wenige Tage nachdem Jörn Ehlers (Holtum-Geest) für Schlagzeilen bezüglich des Umgangs mit dem Wolf gesorgt hatte, sieht die Welt schon wieder etwas anders aus. Wurde er wie berichtet zu Beginn der vergange­nen Woche noch mit dem Satz zitiert, es sei Zeit die Fronten aufzu­brechen, keiner wolle den Wolf ausrotten, so relativierte er in einer Video-Konferenz auf der Grünen Woche in Berlin seine Aussage. Ge­wiss, man müsse mit dem Wolf leben, sagte Ehlers, aber es sei ebenso wichtig, den Bestand zu reduzieren und auf einer festen Größe zu halten. „Man darf ja nicht vergessen, die Wolfspopulation in Niedersachsen wächst rasant im Bereich von 30 Prozent“, sagt Eh­lers, „so kann es nicht weitergehen.“

Umweltverbände reagieren zweigeteilt auf Ehlers‘ Äußerungen. „Ei­nerseits natürlich wichtig, dass die Landwirte einsehen, sie können den Wolf nicht mehr vertreiben“, sagt etwa Nabu-Kreisvorsitzender Bernd Witthuhn, „wir stehen sogar hinter dem Vorschlag, auffällige Wölfe zu entnehmen. Aber dann irgendwelche Wölfe zu töten, wie es passiert ist, das geht natürlich nicht.“ In einem Punkt erreiche er sogar seltene Einigkeit mit Ehlers. Witthuhn: „Als wichtigste Maß­nahme brauchen die Landwirte einen vernünftigen Herdenschutz.“ Mit den vorsichtigen Annäherungen beider Verbände sind allerdings die Reihen der Hardliner keineswegs gebrochen. In den Landwirts­organisationen bestehen weiterhin Strömungen, den Wolf komplett zu beseitigen, in den Naturschutzverbänden, ihn völlig unreguliert unter Schutz zu stellen.

Ehlers kokettiert vor allem mit dem Beispiel Schweden, das auf der Online-Konferenz im Rahmen der Grünen Woche breiten Raum ein­nahm. „Die Skandinavier verfügen über die zehnfache Fläche Nie­dersachsens, aber bei der Wolfspopulation liegen sie pro Quadratki­lometer deutlich unter den Werten zwischen Nordsee und Harz“, so der Landvolk-Vorsitzende, „und das Wichtigste: sie halten den Be­stand konstant.“ Klartext: Da werde schon mal das Gewehr ange­setzt, zögen zuviele Isegrims durchs Land.

Neben der Reduzierung setzt Ehlers auf eine Art Erziehung des Wol­fes. Hatte er zunächst noch gesagt, es gehe darum, in den Köpfen der Wölfe die Anwesenheit von Menschen in der Nähe von Nutztie­ren mit einer echten und ernsthaften Gefahr zu assoziieren, was ir­gendwie nach Tiertraining klang, so wird der Kreislandwirt auf Nach­frage unserer Zeitung konkreter. „Ich habe inzwischen gelernt, der Wolf ist eine der schlauesten Tierarten. Und man weiß, wenn eine Rudel-Familie eines ihrer Mitglieder verliert, dann meidet es die Stelle, an der es passiert ist“, so Ehlers. „Das merken sie sich.“ Die damit einhergehende Herausnahme von Wölfen, den Abschuss also, das betrachte er als „erzieherische Maßnahme“.

Eine Maßnahme allerdings, die nicht irgendein Versuch sei, sondern von Erfolg gekrönt werde. Davon sei er überzeugt, sagt Ehlers. Als Beleg nennt er das Verhalten anderer Tierarten. „Nehmen wir die Wildschweine. In Berlin tummeln sie sich in Vorgärten und lassen sich nicht durch menschliche Anwesenheit beeindrucken. In unse­ren ländlichen Breiten gibt es natürlich auch Wildschweine. Aber wann werden sie hier gesichtet? Alle Jubeljahre vielleicht. Und das hat Ursachen,“ so Ehlers, „in Berlin herrscht überhaupt kein Jagd­druck. Das ist in unserer Region völlig anders.“

Offene Türen bei Umweltverbänden rennt Ehlers mit diesen Vor­schlägen nicht ein. Im Gegenteil. „Wir können uns anfreunden mit dem Vorschlag, auffällige Wölfe zu entnehmen“, sagt Nabu-Vertreter Witthuhn, „aber irgendwelche Wölfe einfach abzuschießen, und das als erzieherische Maßnahme auszugeben, das kommt für uns nicht in Frage.“

Unklar noch, wie weit Ehlers mit seinen Vorstellungen durchdringt, und welche Auswirkungen das für den Landkreis Verden hat. Noch gilt der Raum zwischen Ottersberg und Dörverden als allenfalls gele­gentlich vom Wolf durchstreiftes Gebiet. Darauf deuten die Daten des Wolfsmonitoring hin, die weiterhin lediglich von einem stationä­ren Rudel ausgehen, jenem von Stemmen, und auch das ist aktuell auf nur noch einen Einzelwolf heruntergestuft. Wolfsichtungen in­des sind im gesamten östlichen Landkreis von Oyten bis Dörverden rechts der Weser bestätigt.

Noch ein fast weißer Fleck: Der Landkreis Verden auf der Landkarte der bestätigten Wolfsrisse an Nutztieren

In der Übersicht der Wolfsrisse ist der Landkreis Verden eher unter ferner liefen aufgeführt. 19 Fälle schlagen zu Buche, ein fast weißer Fleck inmitten einer Landkarte, auf der der Wolf in Sachen Nutztiergenuss nicht wählerisch ist. Tatsächlich zieht sich seine Spur auf ei­nem breiten Gürtel quer durchs ganze Land von Lüchow-Dannen-berg bis an die niederländische Grenze. Dass er dennoch im Raum Verden zum Inventar gehört, bestätigt die Jägerschaft. „Das Verhal­ten der übrigen Tiere hat sich verändert“, sagt etwa Vorsitzender Jürgen Luttmann, „ob Reh oder Hirsch, sie ziehen später am Abend los, sie sind in größeren Verbänden unterwegs. Das lässt nur den ei­nen Schluss zu: der Wolf ist da.“

Auch den Landvolkvorsitzenden beschäftigten die Statistiken. Ehlers führt die vergleichsweise geringen Verluste von Nutztieren auf den Einsatz von Herdenschutz vor. „Etliche Tierhalter haben bereits auf­gerüstet. Vor allem beim Zaunbau ist bereits einiges passiert.“ Die­ser Weg müsse fortgesetzt werden.