Für Wild und Bienen – Deutsches Bienen-Journal & Bauernzeitung, 1. Auflage 2022

Im Landkreis Verden in Nieder-sachsen haben sich Imker, Landwirte und Jäger zusammengefunden, um ihr Ziel von mehr Blütenvielfalt zu verwirklichen.

Imker Heinrich Kersten (re.) mit dem Landwirt und Jäger Frederik von Bremen. Sie stehen auf einem Feld, auf dem verschiedene Zwischenfrüchte ausgesät wurden - ihr neuestes Projekt. Quelle: Sina Schuldt/dpa

Als Imker Heinrich Kersten im Jahr 2015 zu einem Landwirt im Landkreis Verden, Niedersach­sen, bestellt wird, fragt er ge­nauer nach, was dieser ausgesät hat. Die einjährige Blühmischung, für die der Landwirt eine Förderung erhält, besteht aus fünf Blühpflanzen, die er aus 29 Arten auswählen konnte. Landwirtinnen und Landwirte bekommen in Niedersachsen eine zusätzliche Prämie von 100 Euro pro Hektar, wenn sie sich die Blühmaßnahme von einem Imker bestätigen lassen. Kersten unterzeichnet das Blatt zur Imkerbeteiligung und grübelt. Er weiß, dass die Nahrung für Bienen nach dem Ende der Rapsblüte knapp wird. Reichen die fünf Blühpflanzen aus, um seine Honigbienen bis zum Herbst ausreichend zu versorgen? In zwei Wochen konzipiert der gelernte Maschinenbau-Ingenieur zusammen mit Landwirten eine neue Blühmischung, bei der die Blühphasen aufeinander abge­stimmt sind: Verwelkt eine der elf Pflan­zenarten, blüht schon die nächste – und immer so weiter, bis in den Oktober hinein.

Er nennt sie „Verdener Imkermischung“. Die einjährige Mischung lässt sich als Agrarumweltmaßnahme finanzieren und findet Anklang: Werden 2016 im Landkreis Verden noch 150 ha ausgesät, sind es zwei Jahre später schon 270 ha. Doch das reicht Kersten noch nicht.

Im Oktober 2018 tüftelt er bei einem Work­shop zusammen mit Landwirten und Jägern an einer neuen, mehrjährigen Mischung. Während die Verdener Imkermischung spätestens bis zum 15. April ausgesät werden muss, soll die „Verdener Frühjahrsblüte“ gleichzeitig zur Rapsaussaat im Spätsommer auf die Felder kom­men. „Landwirten soll die Aussaat von Blühmischungen so einfach wie möglich gemacht werden“, sagt Kersten. Ende Au­gust, Anfang September, wenn die Drill­maschinen mit der Rapssaat über den Acker fahren, sollen sie im nächsten Zug die Verdener Frühjahrsblüte ausbringen. Doch es gibt ein Problem: Mehrjährige Blühstreifen und -flächen werden in Nie­dersachsen nur gefördert, wenn sie bis zum 15. Mai ausgesät werden.

Oktober 2019, evangelischer Ernte­dank-Gottesdienst in Verden. Kersten trifft dort auf Barbara Otte-Kinast, die nieder­sächsische Landwirtschaftsministerin, und stellt seine Saatgutmischung vor. „Ich brauche einen Experten, der mir die Blüh­flächen bonitiert“, wirft der Imker ein. Otte-Kinast schlägt Prof. Werner von der Ohe für die Bewertung vor, damals noch Leiter des LAVES – Instituts für Bienenkunde. „Jackpot!“, denkt sich Kersten. Von der Ohe willigt ein. Seine Analysen bestäti­gen, dass die Saatgutmischung „einen sehr lang anhaltenden Blühzeitraum“ ga­rantiert. Die Blühfläche biete nicht nur Nahrung, sondern auch Schutz für im Boden nistende Insekten, bodenbrütende Vögel und Jungsäugetiere.

Im Jahr 2020 verkauft der lokale Saatgut­vertreiber bundesweit etwa eine Tonne der Verdener Frühjahrsblüte. Sie reicht für rund 100 ha. Außerdem findet Kersten eine Zwischenlösung, wie die Saatgutkosten ohne Förderung als Agrarumweltmaßnahme finanziert werden können: über den Hegefonds aus der Jägerschaft. Frede­rik von Bremen, Landwirt und Jäger, sagt dazu: „Die Verdener Frühjahrsblüte bietet nicht nur Nahrung für Insekten, sondern auch für Wildtiere wie das selten geworde­ne Rebhuhn. Zudem nutzen die Tiere die Fläche als Überwinterungshabitat. Wir haben in Verden etwa 20 Hektar über die Mittel finanziert. Längerfristig kann das nicht so bleiben.“

Von Bremen ist Mitglied im Verein „Bie­nenfreunde Verden“, der im November 2021 gegründet wurde. Hier kommen Landwirte, Imker und Jäger zusammen, bisher sind es 24. Kersten ist sich sicher: „Im Dreierverband sind wir stark!“ Sollte die Verdener Frühjahrsblüte auch nach Inkrafttreten der Reform der Gemeinsa­men Agrarpolitik der Europäischen Union 2023 nicht förderfähig sein, fänden sie si­cher noch eine andere Lösung.

M AG DALE NA ARNOLD

Deutsches Bienen-Journal & Bauernzeitung, 1. Auflage 2022