VON HEINRICH KRACKE
Verden – Der erste Bagger steht in Sichtweite, und jetzt geht alles ganz schnell. Schon bis Ende Dezember, Anfang Januar soll eines der großen Renommierprojekte der Aller-Renaturierung vollendet sein. Der Anschluss der Alten Aller unterhalb des Verdener Rudervereins an den Hauptstrom. Damit wird die Stadt Verden erstmals seit Generationen wieder von zwei Strömen besäumt. Gleichzeitig stellten Thomas Arkenau vom Landkreis Verden und Sylke Bischoff vom Nabu die Aller-Vielfalt im Kreistagssaal vor, das mit fast 2000 Hektar größte Naturschutz-Vorhaben aller Zeiten in der Region. Kernaussage: „Es soll viel geschehen, aber es geschieht nur, wenn die betreffenden Grundstückseigentümer zustimmen. Niemand wird gezwungen.“ Zwei Sätze, die in der gut besuchten Info-Veranstaltung erste Verschnupfung auslösten und eine Debatte über den Informationsbedarf der Anwohner entfachten.
Der Anschluss der Alten Aller ist nicht die erste Maßnahme, die bei diesem 17-Millionen-Projekt über die Bühne geht. Im Rahmen eines symbolischen Spatenstiches waren schon im September einige der sogenannten Buhnen auf einem kurzen Stück des Flusses entfernt und Weiden gesetzt worden. Eine Miniaktion, die im Publikum bereits Gegenreaktionen nach sich zog. Wer denn darüber informiert gewesen sei, fragte etwa Jürgen Luttmann. Der Sportfischer-Verein jedenfalls nicht. Und auch sonst niemand. Luttmann, gleichzeitig Vorsitzender der Kreisjägerschaft: „Der ökologische Buhnenrückbau ist aus Sicht der Anglerverbände die Zerstörung von wichtigen Laich- und Aufzuchtbereichen für seltene Fischarten in der Aller und das Pflanzen von zusätzlichen Weiden am Allerufer treibt selbst den letzten Sachkundigen die Schamesröte ins Gesicht.“
Arkenau räumte ein, die Maßnahme sei tatsächlich nicht mit allen abgesprochen, sie habe im Rahmen der allgemeinen Gewässerunterhaltung stattgefunden. Bischoff ergänzte, das an der Aller-Vielfalt beteiligte Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Verden habe die Aktion durchgeführt, ein Vertreter der Behörde habe wegen Terminüberschneidung an der Info-Veranstaltung nicht teilnehmen können und könne deshalb nicht Stellung nehmen. Und schon hatte sie eine nächste Lawine ausgelöst. „Es ist unbefriedigend, schiebt der eine die Schuld auf den anderen“, hieß es aus der Zuhörerschaft. Es wäre schön, würden die Projektverantwortlichen wenigstens dafür sorgen, eine Antwort auf den Weg zu bringen.
Und da das Publikum schon mal beim Erteilen von Verhaltensregeln war, gleich eine nächste hinterher. Er könne nur empfehlen, die Landwirte mit ins Boot zu holen, sagte Dirk Gieschen, immerhin Vorsitzender des Umweltausschusses im Landkreis.
Bei der agrarstrukturellen Analyse ist ungefähr die Hälfte der Betriebe befragt worden. Nur wenige haben daran nicht teilgenommen. Das ist ein beleg für die hohe Akzeptanz der Aller-Vielfalt.
Sylke Bischoff, NABU
Das zumindest ist auf den Weg gebracht. Aktuell würden die Betriebe im Rahmen der agrarstrukturellen Analyse befragt. Die Hälfte sei absolviert und nur wenige hätten nicht teilgenommen. Bischoff wertete dies als Beleg für eine hohe Akzeptanz. Ein gewichtiges Wort dürfte die Landwirtschaft in den nächsten zehn Jahren auf jeden Fall mitsprechen. Rund 30 Prozent der etwa 1800 Hektar befinde sich in öffentlichem Besitz, der Rest ist privat.
Unklar indes noch, ob und wie künftig eine Information von Anliegern oder Verbänden und Organisationen erfolge. Arkenau verwies auf die Erfahrungen aus der Wümme-Naturierung. Damals sei zu Anfang die Resonanz riesig, anschließend der Zuspruch aber immer geringer ausgefallen. Angedacht ist jetzt eine Info über die Ortsräte. Aber bis zu dieser Entscheidung haben die Beteiligten auch noch Zeit. Zwar werde aktuell der Anschluss der Alten Aller an den Hauptstrom ausgebaggert, eine unkritische Maßnahme, anschließend dauere es aber, ehe es weitergehe. Zunächst müsse die europaweite Ausschreibung für ein Planungsbüro abgeschlossen sein. Mit Ergebnissen sei Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Erst dann könnten nächste Maßnahmen entwickelt werden. Zeit genug also, das Projektteam zu vervollständigen, das ein Büro auf dem Landkreis-Gelände in Verden unterhält. Gesucht wird noch ein wissenschaftlicher Mitarbeiter Wasserbau.