28.12.2022 VAZ: Erste Lücken bei den Blühflächen

Imkermischung und Co drohen wegen gestiegener Ernteerlöse Einschnitte

Bunt und früh blühend: Die Verdener Imkermischung (linke Hand) trägt zum Erfolg der Blühstreifen im Kreis Verden bei. Jetzt drohen der Blumenpracht erste Einscnitte. Foto: Preuss

Von Heinrich Kracke

Verden/Achim – Perserklee darf nicht fehlen, Serradella gehört auch dazu und fünf Prozent weißer Senf werden ebenfalls beigemengt. Das sind drei der insgesamt elf Zutaten der sogenannten Verdener Imkermischung. Zu einem besonderen Phänomen haben sie beigetragen. Der Landkreis Verden gehört zu den Regionen Niedersachsens, die bei den Blühstreifen am Wegesrand Vorreiter sind. „Rund zwei Prozent der Fläche sind für dieses Diversitäten-Projekt reserviert, landesweit sind es 1.6 Prozent. Wir liegen da ziemlich vorn”, sagt Christian Marquardt von der Landwirtschaftskammer in Verden. Doch jetzt drohen dem Umwelt- und Klimaschutzprojekt erste Risse.

Das Problem: Die bunte Blumenpracht hat Konkurrenz bekommen. Plötzlich ist es auch auf nährstoffarmen Böden für die Landwirte oftmals lukrativer, zum Anbau herkömmlicher Nutzpflanzen zurückzukehren. In Zeiten deutlich steigender Preise für beispielsweise Raps oder Weizen, zuweilen doppelt so hoher Preise wie noch im Vorjahr, kommt die bezuschusste Blütenpracht aus der Mode. Strengere Vorgaben der EU machen es den Imkermischungen und Co nicht leichter. „Es ist mit signifikantem Rückgang der geförderten Blühflächen zu rechnen“, heißt es bereits in einer Behördeneinschätzung, hier des Landkreises Verden.

Als Erstes hat die Jägerschaft reagiert. Bereits Ende Oktober wies Vorsitzender Jürgen Luttmann erstmals auf die sich anbahnende Unwucht hin. Die betroffenen Fördersätze der Hegefonds der Jäger seien nicht mehr wettbewerbsfähig.

Seinem Antrag an den Landkreis auf Erhöhung der Zuschüsse wurde inzwischen einstimmig durch die Politik stattgegeben. Damit klettert die Fördersumme für einjährige Blühstreifen je Hektar von 650 auf 900 Euro, ab dem zweiten Jahr werden 1200 Euro statt bisher 800 Euro überwiesen. Gleichzeitig signalisierte Luttmann, die Fördersummen würden wieder gesenkt, sobald die Erlöse für die Ernteerträge sinken. „Eine vernünftige Flexibilität”, sagte etwa Dr. Hans-Hermann Prüser (SPD). „Die Blühstreifen sind uns allen sehr viel wert. Zur Not müssen wir da auch noch höher ran“, ergänzte Hella Bachmann (CDU). „Eine gute Lösung”, meinte Erich von Hofe (Grüne).

Damit dürfte im Rahmen der Hegefonds-Regeln zumindest vorerst der blumige Wegessaum gerettet sein. Landwirte können für bis zu zwei Hektar Gelder beantragen, nach den Worten Luttmanns verzeichne man um die 30 Antragssteller, insgesamt gehe es kreisweit um eine Fläche von 35 bis 50 Hektar.

Unklar indes, wie es mit den weitaus größeren Blühflächen in der Region zwischen Ottersberg und Dörverden weitergeht, mit den mehr als 600 Hektar, die aus Brüssel finanziert werden. Zwar befindet sich eine Reform der Zuschuss- Praktiken im Anmarsch, aber vieles liegt noch im Nebel. Nach Angaben der Verdener Landwirtschaftskammer können Landwirte in Sachen Blühstreifen einerseits mit höheren Zahlungen rechnen, andererseits aber spreche die niedersächsische Landesregierung aktuell von einer Deckelung. Was tatsächlich unten ankomme, sei noch nicht vollständig geklärt.

Ein zweiter Unsicherheitsfaktor resultiert aus den neuen EU-Vorgaben. Künftig dürfen Landwirte nur noch die Hälfte der Fläche mit Blühsamen einsähen. Die andere Hälfte müsse völlig stillgelegt werden und sich selbst überlassen bleiben. „Nicht unwahrscheinlich, dass einige davor zurückschrecken. Sie würden ja der Unkraut-Vermehrung Tür und Tor öffnen“, sagt Marquardt. Ein nächstes Hemmnis drohe aus der Vier-Prozent-Klausel. Wer überhaupt Mittel der EU beantrage, müsse vier Prozent seiner Flächen stilllegen. Auch das finde nicht überall Freunde, im Gegenteil.

Und dann geselle sich auch noch ein generelles Thema hinzu. Angesichts der erwartbaren Restriktionen überlegten immer mehr Landwirte, ganz auf Brüsseler Gelder zu verzichten. Die aktuell verbesserte Ertragslage auf den Äckern lasse die Betriebe nachdenklich werden. Blühflächen sei dann nur noch die zweitbeste Lösung.

Gut möglich aber auch, dass sich das ganze Ausmaß mit verbesserten Erlös- Aussichten und härteren EU-Vorgaben erst ganz allmählich auf die Blütenvielfalt am Wegesrand auswirkt. Wer aktuell einen solchen Zuschuss einstreiche, müsse sich fünf Jahre binden. „Die Verpflichtungen laufen ganz allmählich aus und werden dann Stück für Stück durch neue ersetzt, oder eben nicht”, so Marquardt. Deshalb birgt eine Prognose noch zu viele Unbekannte. „Lediglich eine Tendenz zeichnet sich ab“, so der Verdener Landwirtschaftskammer-Geschäftsführer, „es sieht nach einer rückläufigen Blühflächen-Förderung aus…”