Siehe dazu auch den Leserbroef von Jürgen Luttman vom 16.1.2023 (Link)
Heidekreis – Die Allerniederung zwischen Schwarmstedt und Verden ist belieb- tes Brut und Rastgebiet für Wildvögel. Das kann Segen, aber auch Fluch sein, weil Wilderer sich auf die Jagd machen. „Der Abschuss von Saat und Blässgänsen ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die geahndet werden muss“, kommentiert der erste Vorsitzende des Nabu Heidekreis, Klaus Todtenhausen und bezieht sich auf Fälle aus Nachbarkreisen.
Die Allerniederung mit ihren Altarmen und Tümpeln, Auwaldresten, Gehölz und Baumgruppen sowie offenen, teils durch Hecken strukturierten Grünländereien ist nicht nur für Brutvogelarten des Feuchtgrünlandes und den Erhalt charakteristischer Lebensgemeinschaften der Tieflandflüsse von besonderer Bedeutung, sondern gilt auch als wichtiges Rast und Überwinterungsgebiet für verschiedene Wasservogelarten, schreibt der Nabu Heidekreis. Leicht überschwemmte Wiesen seien vor allem bei Saat- und Blässgänsen beliebt, die nach einer 3000 bis 4000 Kilometer langen Reise aus ihren arktischen Brutgebieten im Allertal Rast machten, bevor sie in ihre Winterquartiere am Niederrhein und in den Niederlanden weiterflögen. Zwischen Mitte Oktober und Anfang März ließen sich alljährlich große Gänseschwärme mit bis zu 3000 Individuen beobachten.
Da ziehende und überwinternde Wildgänse und Schwäne in vielen Küstenregionen sowie den Niederungen von Elbe, Aller, Weser und Ems geeignete Rastlebensräume vorfänden, habe Niedersachsen eine hohe Verantwortung für ihren Schutz, heißt es weiter. Seien es bislang vor allem Konflikte mit Landwirten gewesen, die es zu lösen und Störungen durch Flugzeuge, Hubschrauber und Freizeitnutzungen, die es zu vermeiden gegolten habe, so drohten illegale Jagd- und Fehlabschüsse zu einer weiteren Gefahr für die geschützten Vögel zu werden.
„Der Abschuss ist eine Straftat“, betont Klaus Todtenhausen und nennt einen Fall, der im Vogelschutzgebiet „Niedersächsische Mittelelbe” im Landkreis Lüneburg von Augenzeugen beobachtet wurde. Leider seien Polizei, Jagd- und Naturschutzbehörden sowie Staatsanwaltschaften häufig nicht willens oder fähig, konsequent gegen illegale Jagd-praktiken und andere Formen von Natur- und Umweltkriminalität vorzugehen, wie einmal mehr der Fund von 37 toten Gänsen bei Twist im Landkreis Emsland zeige.
Zwar sei im Rahmen einer ersten Untersuchung eine Graugans bestimmt worden, doch gebe es erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei allen Opfern um Graugänse gehandelt habe, da die im Emsland überwinternden Gänsetrupps überwiegend aus Saat- und Blässgänsen bestehen und eine Unterscheidung der verschiedenen Arten fundierte Kenntnisse sowie gute Optik und Sichtverhältnisse voraussetze. Dennoch sei auf die Artbestimmung sämtlicher toter Gänse verzichtet worden.
Ähnlich nachlässig sei bei einem Totfund mehrerer streng geschützter und aufgrund massiver Bestandsrückgänge selten gewordener Zwergschwäne in einem Naturschutzgebiet im Emsland vorgegangen worden. Dank einer im Rahmen eines Nabu-Projektes erfolgten Besenderung hätten die offenbar an Schussverletzungen gestorbenen Vögel zwar in einem Anhänger tot geborgen werden können, doch sei die Verfolgung vorerst eingestellt worden, weil der Täter behauptet habe, die Tiere nur von ihrem Leid erlöst zu haben – was nicht habe belegt werden können.
Die Auswahl an Beispielen lege die Vermutung nahe, dass naturschutzfachliche Aspekte sowie die Vorgaben der Jagd- und Naturschutzgesetze auch in Niedersachsen immer weniger Beachtung fänden. „Wer glaubt, illegale Vogeljagd und Wilderei seien auf Südeuropa, Afrika und Asien beschränkt, irrt gewaltig“, sagt Nabu-Pressesprecherin Antje Oldenburg. So gehe aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2018 hervor, dass in Deutschland illegale Fallen, Vergiftungen und Abschüsse vor allem für Greifvögel, Luchse, Wölfe und Fischotter eine ernste Gefahr für ihre Bestandsentwicklung darstellten und man aufgrund mangelnder Kontrollen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen könne. „Wir schließen uns der Forderung unseres Landesverbandes an, so schnell wie möglich eine Schwerpunkt- Staatsanwaltschaft oder eine Stabsstelle Umweltkriminalität aufzubauen, um jagd- und naturschutzrechtliche Delikte effektiv zu bekämpfen und durch die Vernetzung von Behörden und Verbänden sowie durch die professionelle Begleitung von Strafverfahren die Anzahl an Schuldsprüchen deutlich zu erhöhen.“