22.02.2023 VAZ: Warum Jäger heute Prädatoren managen

Die Raubwildbejagung wird in Fischerhude wissenschaftlich begleitet / Ziel ist Wildvogelschutz

Kreisverdener Jäger informieren in Fischerhude über den Schutz von Bodenbrütern: (von links) Rainer Puvogel, Wolfgang Mohr, Antje Dahlweg, und Carsten Puvogel. Fotos: Walter

VON CHRISTIAN WALTER

Fischerhude – Alle Tiere müssen fressen, um zu überleben, sich zu vermehren und ihre Art zu erhalten. So weit, so bekannt. Teil dieses Prozesses, oder sozusagen die Kehrseite der Medaille, ist, dass dabei andere Tiere Teil der Nahrungsquelle sind. So ist es beispielsweise für die Bestände von Wiesenvögeln und Bodenbrütern – wie Kiebitzen, Rebhühnern, Uferschnepfen, Wachtelkönig und anderen – problematisch, wenn sie zu vielen Fressfeinden wie den heimischen Füchsen und Dachsen und gleichzeitig steigenden Beständen von invasiven Arten wie dem Waschbär oder dem Marderhund ausgesetzt sind, die das Gleiche fressen wie der Fuchs.

Diese Räuber – oder etwas fachlicher ausgedrückt: „Prädatoren“ – bedrohen die Bestände der Wildvögel auch im Kreis Verden. „Der Prädationsdruck ist hoch“, fasst es Wolfgang Mohr von der Jägerschaft des Landkreises beim Ortstermin im Revier in der Fischerhuder Wümmeniederung zusammen. „Wenn wir nicht aufpassen, dass die nicht überhand nehmen, sind wir bald unsere ganzen Wiesenvögel los.“ Für den Vogelschutz haben Jäger zwar schon immer die sogenannte Raubwildbejagung betrieben, also den Abschuss von Fuchs und Co., allerdings im Vergleich zu heute ein Stück weit ins Blaue hinein und mit begrenzten Kontrollmöglichkeiten und Vergleichszahlen.

Was heute anders ist: Seit etwa zehn Jahren lässt der Landkreis Verden durch unabhängige Wissenschaftler und engagierte Ehrenamtliche die Zahlen der verschiedenen Wildvogelarten dokumentieren und macht so deren Bestandentwicklung sichtbar. Auf dieser Grundlage gibt es seit 2019 in zwei Schwerpunktrevieren – im Bereich Lehrde / Untere Aller und eben in der Wümmeniederung rund um Fischerhude – ein Projekt mit dem schönen neudeutschen Namen „Prädationsmanagement“.

„Seit wir die Fallen haben, wissen wir erst, wie viele Waschbären es hier gibt“

Wolfgang Mohr von der Jägerschaft des Landkreises Verden

Das bedeutet eine gezielte, wissenschaftlich untermauerte, nachhaltige Bejagung von Räubern. „Als Jäger sind wir der Hege verpflichtet. Da ist es gut, wenn wir das nicht nur nach gefühlter Wahrnehmung tun, sondern sie mit Zahlen, Daten und Fakten untermauern können“, erklärt Antje Dahlweg, Leiterin des Hegerings Achim, beim Ortstermin. Und diese Zahlen geben dem Vorgehen Recht: Laut dem Wiesenvogelmonitoring-Bericht aus dem Bereich Fischerhude haben sich dort die Vogelbestände seit dem Start des vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz geförderten Projekts erkennbar erholt.

Vogelschutz ist erklärte Absicht des „Prädationsmanagements“ in der Fischerhuder Wümmeniederung, also der gezielten und wissenschaftlich untermauerten Raubwildbejagung.

Was neben der Erfassung der Bestandsentwicklung außerdem neu ist: Die Jäger schießen die Räuber nicht nur wie früher, jedenfalls während der erlaubten Zeiten im Jahr, wenn auch heute gezielter, sie fangen sie auch mit Lebendfallen ein. Und die Ergebnisse sind teils durchaus erstaunlich, berichtet Wolfgang Mohr: „Seit wir die Fallen einsetzen, wissen wir erst, wie viele Waschbären es hier gibt.“ Allein rund um Fischerhude seien es um die 20 gewesen, die man gefangen habe, wodurch der Fressfeinddruck auf die Wiesenvögel jedes Mal ein Stück gesenkt werden konnte. „Hege war schon immer Naturschutz“, sagt Mohr und betont gleichzeitig: „Wir wollen die Räuber natürlich nicht ausrotten“, aber das Verhältnis sei besser geworden. „Und da sind wir auch stolz drauf. Fuchs und Co. dürfen nicht aussterben, aber gleiches Recht gilt für Feldlerche und Rebhuhn.“

Ein Nebeneffekt des Prädationsmanagements ist, dass durch die gezielte Verringerung der Raubtierzahlen nicht nur der Fressfeinddruck auf die Wildvögel sinkt, sondern auch auf heimische jagbare Wildarten, die ebenfalls auf dem Speiseplan der Prädatoren stehen, wie Hasen, Fasane und Enten, und an deren Erlegung den Jägern ohnehin aus eigenem Interesse gelegen ist.

Letztlich betreibe der Mensch durch das Prädationsmanagement auch ein Stück weit Wiedergutmachung gegenüber der Natur, denn der Mensch sei eben verantwortlich etwa für das Einschleppen invasiver Arten wie Waschbär und Marderhund. „Es geht auch um Schadensbegrenzung, indem wir die Fremdarten reduzieren.“

Und das bedeutet für die Raubtiere so oder so den sicheren Tod, ob anvisiert über Kimme und Korn oder zunächst lebend gefangen: Die Tiere werden erlegt und begraben. „Das ist dann die Seite, die uns auch keinen Spaß macht, bei aller Leidenschaft für die Jagd“, erklärt der Fischerhuder Jäger Reiner Puvogel.

Immerhin haben die Bälge der Tiere – Haut und Fell – noch einen Nutzen: Die kreisverdener Jägerschaft kooperiert wie andere Jagdvereinigungen in Deutschland mit dem Berliner Unternehmen „Fellwechsel“, das aus den Tierhäuten Fellprodukte herstellt.

Über die Bejagung der Räuber hinaus ist in Fischerhude ein weiterer Bestandteil des Wildvogelschutzes das Vernässen der Wiesen im Winter, indem auf möglichst vielen Flächen Wasser gestaut wird. Das hat für die Vögel gleich zwei Vorteile: Einerseits finden sie hierdurch mehr geeignete Brutplätze, andererseits sind sie und ihre Gelege durch das Wasser auf den Wiesen besser vor den Fressfeinden geschützt, erklärt Wolfgang Mohr von der Jägerschaft: „Der Fuchs mag nun mal keine nassen Füße!“