Neddenaverbergen – Wer Gutes tun will, der muss früh aufstehen. Per Drohne spüren Stephan Hogrefe aus Luttum und Frank Klasen aus Neddenaverbergen Rehkitze auf. Und nicht nur die. Doch Tages- oder gar Sonnenlicht können die beiden dabei nicht gebrauchen. Es würde die Spuren verwischen.
Hogrefe und Klasen sowie einige Helfer sind schon in Wartestellung. Ab April werden für die Aktiven der Kitzrettungsgemeinschaft der Jagdgenossenschaft Neddenaverbergen die Nächte kürzer, denn mit der beginnenden Grasmahd ist mindestens einer der beiden als Drohnenpiloten amtierenden Männer mit einem Jäger, dem Landwirt oder Vertreter und mehreren Helfern in der südlichen Gemarkung von Neddenaverbergen gelegenen Wiesenlandschaft zur Kitzrettung unterwegs. Bis Juni dauert die Einsatzbereitschaft.
„Für uns ist die Nacht schon meist um halb drei zu Ende“, erläutern die beiden Drohnenpiloten. Bereits im vierten Jahr lässt die Gemeinschaft die Drohnen kreisen, will damit vor allem Rehkitze aufspüren und vor den rotierenden Messern der Mähmaschinen retten. Das kann einem schon den Schlaf rauben: Bis spätestens drei Uhr muss das Equipment aufgebaut und die Drohne für den ersten Einsatz startklar sein. Die Helfer sind dann auch vor Ort und die Drohne steigt zum Rundflug in den Himmel.
Gesucht wird nach Wärmequellen im Gras, und hier wird der frühe Beginn der Rettungsaktion deutlich: „Die Wärmekamera in der Drohne arbeitet nur dann effektiv, wenn die Sonne im besten Fall noch nicht aufgegangen ist“, erklärt Hogrefe. Da das Rehkitz eine Oberflächentemperatur von etwa 20 Grad habe, darf die Umgebungstemperatur nicht wärmer sein, um den Erfolg der Rettungsaktion nicht zu gefährden.
Sichtet der Pilot eine entsprechende Wärmequelle, werden die Helfer vom Piloten mittels Funkgeräten zur Fundstelle gelotst, machen sich zu Fuß oder mit dem Quad auf den Weg. Verschiedenste Sicherungsmaßnahmen werden von den eingewiesenen Helfern durchgeführt, vor allem darf das Tier keinen menschlichen Geruch annehmen. Da es sich um „Nachstellen von Wild“ handelt, unterliegt die Arbeit mit der Drohne dem Jagdrecht und deshalb muss ein Jäger mit dabei sein.
Die Arbeit ist aufwendig. An den Mähtagen sind die Helfer pausenlos unterwegs, doch trotz der Strapazen beteiligen sich bis zu 40 Aktive an der Suche. Sie sind auch notwendig, denn zu Fuß können die enormen Flächen nicht abgesucht werden.
Die Drohne kann pro Minute einen Hektar Fläche absuchen. „Wenn an einem Tag circa 80 Hektar gemäht werden sollen, dann geht es nicht ohne den Einsatz der Quads“, erklären die Verantwortlichen. Läuft man die Flächen zu Fuß im hohen und teils nassen Gras ab, dann geht jeder Einsatz in die Beine. „Da kommt man, nach Tagen mit wenig Schlaf, schon an seine körperlichen Grenzen, denn das Ende des Einsatzes ist oftmals erst gegen 9 Uhr“, wissen Hogrefe und Klasen.
Die Pausen sind während des Einsatzes eher kurz: Es bleibt kaum Zeit für eine ruhige Minute, denn es sei ein dauerhafter Kampf gegen das kommende Tageslicht. Und immer die Fragen, welche Flächen zuerst, wo hat man nach Sonnenaufgang noch Schatten, wie kommt man zu den Flächen, in welche Reihenfolge wird gemäht, wo sichert man die Funde und wer lässt diese wieder frei? Alles müsse wohl überlegt und geplant sein.
„Die Wärmekamera in der Drohne arbeitet nur dann effektiv, wenn die Sonne im besten Fall noch nicht aufgegangen ist.“
Stefan Hogrefe, Drohnenpilot
Die Helfer sind dabei ein Schlüssel zum Erfolg bei der Suche nach den Kitzen. Ein Abwechseln, alle zwei bis drei Stunden, sei unumgänglich. Viele der Aktiven müssten zudem anschließend noch zur Arbeit, auch deshalb sei das Engagement der Freiwilligen hoch anzurechnen.
Mit der Rettungsaktion werden insbesondere die Landwirte unterstützt. Setz- und Brutzeit fallen genau in das Zeitfenster der ersten Grasmahd. Die Gefahr, Tiere dabei zu verletzen oder zu töten. Laut Tierschutzgesetz ist es die Pflicht des Landwirts, die Flächen zum Schutz der Tiere abzusuchen. Früher blieb dem Landwirt nur das Mittel der Vergrämung, ein Weg, der sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und nur mäßig erfolgreich ist. Viel effizienter ist der Einsatz von Drohnen mit einer Wärmebildkamera. Logisch, dass für diesen selbstlosen Einsatz des Drohnenteams auch der Landwirt bei der Aktion mit dabei ist. Das klappe in Neddenaverbergen vorbildlich, die Zusammenarbeit laufe reibungslos.
Und das Engagement zahlt sich aus: Im vergangenen Jahr wurden 28 Einsätze geflogen; 448 Hektar wurden durchsucht; 76 Rehkitze wurden gefunden; zwei Entengelege wurden gesichert, ausgebrütet und werden wieder ausgewildert; 49 Flugstunden wurden absolviert und 319 Arbeitsstunden geleistet. rö