11.04.2023 VAZ: Vom Menschen gemachtes Problem

Die Entwicklung invasiver Spezies im Landkreis Verden

Jürgen Luttmann zeigt eine Beton-Wipprohrfalle. Wenn ein Tier durch das Betonrohr geht, löst es die Falle aus. Metallplatten fallen nach unten und verschließen es, ohne das Tier darin zu verletzen. Foto: Adolph

VON FLORIAN ADOLPH

Landkreis – Waschbären, Marderhunde und Nutria sind Neozoen – gebietsfremde Tiere, invasive Spezies. Sie kamen hierher in den Landkreis Verden, wo sie eigentlich nicht hingehören, durch den Menschen. Waschbären und Marderhunde wegen ihres Fells. Beim Nutria war es neben dem Pelz auch das Fleisch. Teilweise wurden sie absichtlich ausgesetzt, um sie für ihr damals so begehrtes Fell zu jagen. Den Marderhund hat der Mensch unter anderem in Westrussland zu diesem Zweck etabliert. Er kam dann von dort aus zu uns. Teilweise sind sie aber auch aus Pelzfarmen ausgebrochen oder wurden ausgesetzt und kamen so in eine Umgebung, in die sie eigentlich nicht gehören.

Reinholdt Tegtmeier, Außenbezirksleiter vom Wasser- und Schifffahrtsamt, berichtet, dass er selbst bereits Nutria gesichtet habe: „Wir verfolgen die Tiere aber noch nicht gezielt. Wenn wir den Nutria beim Graben dort sehen würden, wo es gefährlich sein könnte, würden wir ihn natürlich bejagen lassen.“

Dies geschieht an anderer Stelle bereits. Die Jägerschaft des Landkreises Verden betreibt seit mehreren Jahren Prädationsmanagement, das heißt – vereinfacht ausgedrückt – dass sie zum Schutz gefährdeter Arten die Zahl der Raubtiere durch Bejagung kontrolliert. Schädliche, gebietsfremde Arten, wie eben Waschbären oder Marderhunde, stehen auf der Abschussliste, erzählt Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Jägerschaft des Landkreises Verden. Nutria sind keine Prädatoren und damit nicht Teil des Prädationsmanagements, werden aber ebenfalls gejagt.

„Es ist nicht unser Ziel, die Beutegreifer auszurotten“, stellt Jürgen Luttmann klar, eine Regulierung sei aber erforderlich, um andere Arten zu schützen, stellt er fest. „Bei invasiven Spezies wäre eine totale Entnahme zwar wünschenswert, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass dies gelingt“, erklärt er weiter. Gegen Neozoen werde vor allem die Fallenjagd angewandt. Dem Jäger kämen die scheuen Tiere nur selten vor die Flinte, daher würden sie in Fallen gefangen und dann geschossen. „Es gibt momentan keine andere Handhabe als die Fallenjagd für die invasiven Spezies“, sagt auch Arne von Brill vom Naturschutzbund (Nabu) Verden.

„Wir arbeiten dabei sehr eng mit dem Landkreis zusammen“, sagt Luttmann. Die Jägerschaft übernehme ehrenamtlich das Prädationsmanagement in mehreren Naturschutzgebieten im Landkreis. Zeitgleich bekomme sie auch Geld vom Landkreis für Fallen, die außerhalb der Naturschutzgebiete aufgestellt werden.

Die Jagdstrecke für Nutria lässt darauf schliessen, dass der Bestand 2020 am höchsten war, nun aber abnimmt
Die Zahl der Waschbären (rot) nimmt laut Jagdstrecke ab, während die der Marderhunde (blau) tendenziell weiter steigt. Grafik: Jägerschaft Verden

Luttmann berichtet, dass anhand der Jagdstrecke darauf geschlossen werden könne, dass der Bestand an Nutria ab dem Jahr 2015 einen steilen Anstieg hatte und vor drei Jahren seinen Höchststand erreichte. „Die 2019 intensivierte Fallenjagd bringt aber etwas. Der Zuwachs wurde gestoppt“, sagt er. Inzwischen gehe die Population jährlich weiter nach unten, auch wegen spezieller Nutriafallen, die das Land Niedersachsen den Jägern kostenlos zur Verfügung stellt. Bei den Waschbären sei es ähnlich, auch bei ihnen gab es, laut Luttmann, in den letzten zehn Jahren einen hohen Zuwachs, der durch Fallenjagd gestoppt worden sei. Die Strecke sei in den letzten beiden Jahren leicht zurückgegangen. Waschbären dürften des Weiteren weder gehalten noch ausgewildert werden. Bei den Marderhunden ist die Tendenz allerdings weiter steigend, trotz Fallenjagd, weil diese schwer zu fangen seien.

„Wir sind soweit zufrieden mit dem, was wir erreichen“, sagt Luttmann. Trotz der Zuwanderung von Waschbär, Marderhund und Nutrias, steige zum Beispiel die Summe der Brutpaare und die Artenzahlen im Naturschutzgebiet in Fischerhude. Das Prädationsmanagement solle dennoch ausgebaut und mehr Fallen aufgestellt werden. Momentan seien es etwa 400. „Es wäre wünschenswert, dass sich die Zahl der Fallen in den nächsten zehn Jahren verdoppelt“, so Luttmann.

Ein möglicher Hinweis darauf, dass die Methode Wirkung zeigt, könnte Folgendes sein: Phillipp Rohlfing, Fachbereichsleiter vom Ordnungsamt Verden, sagt, er habe in letzter Zeit nicht viele Problemberichte mit invasiven Spezies auf seinem Schreibtisch. „Das heißt aber nicht, dass es woanders keine gibt“, merkt er an. Das Ordnungsamt wird vor allem gerufen, wenn im öffentlichen Bereich Schäden entstehen, zum Beispiel an Uferböschungen durch Nutrias. Insbesondere, wenn die Allgemeinheit geschützt werden muss. Wenn beispielsweise durch die Tiere Deiche beschädigt werden oder Uferkanten abbrechen, was bei Hochwasser zu Problemen führen kann.

Von den Problemen, die so eine invasive Spezies wie der Waschbär mit sich bringen kann, weiß auch Hans-Jürgen Maaß vom Nabu Verden zu berichten. Er gehört zu der Biotopflegegruppe Holtum (Geest), die das Naturschutzprojekt Holtumer Moor betreut. Dort hätten sie über 150 Nistkästen für Vögel aufgehängt, von denen einige bereits von den Mitgliedern der Familie der Kleinbären „besucht“ worden seien.

„Bei der Nistkastenkontrolle sieht man es. Der Waschbär geht an die Kästen und fasst mit den Fingern in das Einflugloch. Die Vögel darin werden nervös und das Nest wird zerwühlt. Die Eier landen dann am Ende auf dem Erdboden. Vielleicht werden die Vögel dann auch noch von den Waschbären herausgegriffen und gefressen“, erzählt Maaß. Es seien etwa 9 Prozent der Nistkästen im Holtumer Moor betroffen. „Alles, was die Vogelwelt beeinträchtigt, ist nicht gut“, sagt er. Es gebe sowieso schon zu wenige Kleinvögel.

„Die Waschbären gehen auch auf die Kröten“, sagt Arne von Brill vom Nabu. Sie häuteten sie, weil ihre Haut ungenießbar sei, und verspeisten sie dann. Waschbären sind wendig und erfinderisch und richten daher mehr Schaden an als zum Beispiel die Marderhunde, die behäbiger seien und nicht klettern könnten, so von Brill. Jürgen Luttmann weist allerdings darauf hin, dass der Marderhund somit eine Gefahr für am Boden lebende und brütende Tiere darstelle.

Bei invasiven Spezies handele es sich aber nicht nur um Säugetiere, das merkt Arne von Brill noch an. Auch gebietsfremde Insekten- und Vogelarten hätten sich im Landkreis eingefunden. Als Beispiel für eine invasive Vogelart erwähnt Jürgen Luttmann die Nilgans, die sich heimischen Arten gegenüber sehr aggressiv verhalte und deren Brutgebiete belege.