20.07.2023 VAZ: 88 Kitze in dieser Saison vor Mähtod gerettet

Setzen mit Drohne und Wärmebildkamera auf die sichere Rettung von Kitzen: (von links) Antje Dahlweg, Claudia Ohm, Oliver Stock, David Mindermann, Stefan Marquardt, Udo Faulstich, Heinrich Schwarmann, Beate Patolla und Johann Ditzfeld. Foto: leipold

Achim – Anfang Juni war es so weit. Die Drohne der Jagdgenossenschaft Achim hat ihren ersten Einsatz zur Kitzrettung gehabt. „Als Landwirt ist es so schwer, die Kitze zu finden, da sie sich tief im Gras verstecken“, weiß Johann Ditzfeld, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Achim und selbst Landwirt. Die fürchterlichen Schreie eines Kitzes, das vom Mähwerk erfasst wird, vergesse man nicht, sagt er sichtlich bewegt. „Sie schreien wie ein Baby.“ Die umsitzenden Mitglieder der Genossenschaft und des Hegerings Achim nicken wissend. Zumeist sind die Tiere schwer verstümmelt und müssen von einem Tierarzt oder Jäger erlöst werden.

„Keiner hat ein Interesse daran, ein Tier tot zu mähen, es leidet entsetzliche Qualen. Dieses Leid abzuwenden, ist unser gemeinsames Ziel“, pflichtet Achims Hegeringleiterin Antje Dahlweg bei. Denn: „Rehkitzrettung ist sexy. Es gibt nichts Schöneres, als das Rehkitz wohlbehalten nach der Mahd zur Ricke springen zu sehen.“

Deshalb hat sich die Jagdgenossenschaft entschieden, eine Drohne mit Wärmebildkamera anzuschaffen. Auch, weil die Landwirte nach dem Tierschutzgesetz verpflichtet sind, das zu mähende Gebiet vor der Mahd abzusuchen. Inzwischen sind die Flächen aber so groß, dass ein Absuchen zu Fuß und mit Hunden sowie das Aufstellen von Flatterbändern am Vorabend kaum machbar sind. Zumal die Hunde die Kitze nur schlecht wittern können. „Drohnen sind der einzige Weg, die Flächen sinnvoll und nachhaltig abzusuchen“, erklärt Dahlweg.

Für rund 8 000 Euro konnte eine Drohne mit Wärmebildkamera angeschafft werden. Finanziert wurde sie durch großzügige private Spenden, Mitteln der niedersächsischen Umweltstiftung Bingo sowie der Kreissparkassenstiftung. Diese hat die Anschaffung mit rund 3 000 Euro unterstützt. „Es ist ein sehr praktisches und modernes Instrument, das an die Hand gegeben wird zum Wohle der Tiere“, erklärte Beate Patolla, Leiterin Unternehmenskommunikation der Kreissparkasse Verden, beim Pressetermin.

Der Hegering Achim verfügt mit der Drohne der Jagdgenossenschaft nun über drei Stück, die von elf Piloten bedient werden können, etwa von Oliver Stock und David Mindermann. In den frühen Morgenstunden ab Sonnenaufgang um 3 Uhr in der Früh lassen sie die Drohne in 50 Meter Höhe steigen und suchen die Flächen mit der Wärmebildkamera nach Kitzen und Gelegen ab. Im besten Fall haben sie vorher von den Landwirten die Koordinaten erhalten, sodass sie die Drohne vorher programmiert werden kann und die Fläche selbstständig abfliegt.

„Das ist eine große Entlastung“, sagt Mindermann. Gerade bei sehr großen Flächen sei es schwierig, die Übersicht zu behalten, wenn die Drohne manuell gesteuert werden muss. Stattdessen können sie sich auf das Wärmebild konzentrieren und die Helfer per Funk auf dem Feld einweisen. Die bedecken die Kitze mit Körben, befestigen diese mit Heringen und markieren die Stelle mit einer Fahne. So kann der Landwirt das Mähwerk sicher um die Kitze herum manövrieren. Spätestens nach sechs Stunden müssen die Kitze wieder freigelassen werden. Da es sich rechtlich gesehen um eine Jagdausübung handelt, muss der Jagdpächter vor Ort sein.

„Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Bereitschaft vorhanden ist, nachts zu arbeiten“, sagt Ditzfeld. „Bei mir haben wir so fünf Kitze finden können, keines musste sterben“, ist er erleichtert.

88 Kitze konnten in dieser Saison, die je nach Wetterlage von April bis Mitte Juli dauert, auf 900 Hektar gerettet werden. „Das ist ein ganz toller Erfolg“, sagt Udo Faulstich, der im Hegering für die Koordination der Drohnenteams verantwortlich ist.

In der Regel sind zwei Piloten und zwei Helfer ehrenamtlich für drei bis vier Stunden im Einsatz. Die Drohne schafft es, im Schnitt in zwei bis fünf Minuten einen Hektar zu sichten. Mit den drei Drohnen könnten die Teams während ihres Einsatzes rund 120 Hektar abfliegen.

„Der Lohn ist, morgens in der Natur zu sein, den Sonnenaufgang zu erleben, und es macht einfach sehr viel Spaß“, sagt Stock. „So nah das Erwachen der Natur zu erleben, ist etwas ganz Besonderes“, findet auch Dahlweg. Und Faulstich ergänzt: „Das ist mit Geld nicht zu bezahlen für jemanden, der die Natur liebt.“

Info

Für die neue Saison freut sich der Hegering Achim über neue Piloten und Helfer bei der Kitzrettung. Wer Interesse hat, kann sich bei Hegeringleiterin Antje Dahlweg melden unter: