Der Hegering Wesermarsch hat in 2023 die alljährliche Hubertusmesse der Jägerschaft Verden ausgerichtet. In der jagdlich und feierlich geschmückten, voll besetzten Kirche zu Blender hielt der Waidmann Jannik Joppien die Predigt, das Bläsercorps der Jägerschaft und die Bläsergruppe Allerort umrahmten die Messe musikalisch. Die Bläsergruppe Fischerhude West bot zusammen mit Falknern und Hundeführern schon vor der Messe einen Rahmen für das Publikum.
Vielen Dank an alle Helfer und an die Kirchengemeinde für die Unterstützung dieses Gottesdienstes.
Im Folgenden ist die schöne, nachdenklich machende Predigt wiedergegeben, die Diakon Jannik Joppien mit spürbarer Begeisterung und unterhaltsam gehalten hat.
Predigt von Diakon Jannik Joppien für die Hubertusmesse am 5. November 2023 in der Kirche zu Blender
Auf eine Predigt bereite ich mich immer lange vor. Ich trage die Texte mit mir durch den Alltag und immer, wenn mir etwas dazu einfällt mache ich mir Notizen. Gern möchte ich euch einmal Einblick in meine Gedanken der letzten Tage geben:
„Ach wisst ihr meine Kinder haben einen Kuschelfuchs und der heißt Fuchsi. Und ein Kuschelschaf und das heißt Schafi. Und dann gibt es noch einen Kuschelbären und der heißt…. Na? Genau, Helga. In der Legende um den heiligen Hubertus steht geschrieben, dass er zusammen mit seiner Frau einen Sohn bekommt. Vater Hubertus, Mutter Floridana und Sohn Floribertus. Nun ja, was soll ich sagen. Einfallsreich ist anders. Das hätten meine Kinder auch gekonnt.“
Eine andere Notiz lautet: „Jagd ist Religion“
Wie das mit manchen Notizen so ist, weiß ich gar nicht mehr genau, was ich in diesem Moment damit meinte, aber ich versuche es mal zu deuten. Fangen wir mal bei der Legende an. Hubertus war zügellos, gab sich den weltlichen Vergnügungen hin. Wir wissen alle, was neben der Jagd noch dazu gehören könnte. Er nahm nach dem Tode seiner Frau keine Rücksicht mehr auf andere. Bis ihm Gott in Gestalt eines Hirsches mit einem Kreuz im Geweih erschien und ihm ins Gewissen rief.
Als ich die Legende das erste Mal las, kam mir sofort die Geschichte vom verlorenen Sohn in den Kopf. Diese steht im Lukasevangelium und erzählt von einem Mann mit zwei Söhnen. Der jüngere von ihnen forderte sein Erbe schon vor dem Ableben des Vaters ein. Der Vater gab es ihm und der Sohn reiste in ein fernes Land, verprasste das Erbe und erlitt eine Hungersnot. Er entschied sich zurück zu seinem Vater zu gehen, ihn um Entschuldigung zu bitten ihm zu beichten, dass er gesündigt hat. Bevor der Sohn einen Ton sagen konnte, kam ihm sein zu Tränen gerührter Vater entgegen und fiel ihm um den Hals. Sofort ließ er ihm neue Kleider von den Knechten bringen und forderte sie auf das gemästete Kalb zu schlachten, denn der verlorene Sohn ist wiedergekehrt. Dann gibt es da aber auch noch den anderen, den älteren Sohn, der die ganze Zeit beim Vater geblieben ist. Er war wütend, dass nun für den, der das Erbe verprasst hatte ein Fest gefeiert wird. Der Vater kam zu dem älteren Sohn bat ihn mitzufeiern und sagte: Ich vertraue dir. Alles, was mein ist, ist auch dein. Aber nun ist dein Bruder wieder zurückgekehrt. Er war tot und ist nun wieder lebendig.
Diese Geschichte ist aber nicht nur eine Geschichte, sondern viel mehr ein Gleichnis, dass Jesus verbreitete, um den Menschen in seinem Umfeld zu verdeutlichen, wie die Liebe Gottes zu verstehen ist.
Nun kam Gott also in der Gestalt des Hirsches zu Hubertus führte ihm seine eigene Maßlosigkeit vor Augen. An diesem Punkt scheiden sich die Geister. Einige berichten, dass Hubertus von dort an der rücksichtslosen Jagd abgeschworen hat und der erste waidgerechte und nachhaltige Jäger wurde. Andere wiederum betonen, dass er der kompletten Jagd abgeschworen hat und sich alle anderen Jäger und Jäger*innen ein Vorbild daran nehmen sollten.
Ähnlich ist es mit der Bibel. Die Übersetzungen, Überlieferungen und Interpretation sind vielfältig. Martin Luther predigte immer vom Priestertum aller Getauften und so sehe ich es auch bei der Hubertuslegende. Wir sind alle gut genug gebildet und ausgebildet, um die Hubertuslegende für uns selbst auszulegen und ich bin mir sicher, dass hier niemand in der Kirche ist, der aus Spaß Tiere tötet. Wir haben immer einen guten Grund zu schießen. Und wenn nicht, dann bleibt unser Finger gerade.
Denn es ist des Jägers Gebot, was du nicht kennst, das schieße nicht tot.
Ein Spruch aus dem Brauchtum der Jagd, der meiner Meinung nach schon deutlich macht, wie das Selbstverständnis der Jagd ist und auch schon lange ist.
Nun kommen wir aber auch nochmal zurück zur Bibel. Ralf hat uns vorhin aus dem Schöpfungsbericht den sechsten Tag aus dem Alten Testament vorgelesen. Auch hier scheiden sich die Geister. Während in der Übersetzung von Luther steht, dass der Mensch über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel usw., steht in der
Gute-Nachricht-Bibel, der Mensch soll Macht haben über die Tiere auf der Erde usw. In der Übersetzung der Hoffnung-für-alle-Bibel steht wiederum, der Mensch soll über die ganze Erde verfügen. Die Theologie ist sich nicht einig, was denn nun eigentlich die Schöpfung genau ist. In der Bibel ist an einigen Stellen mit Schöpfung der Mensch gemeint. Im Schöpfungsbericht, aus dem Ralf einen Teil vorgelesen hat, geht es glasklar um die Entstehung der Erde, der Pflanzen, der Tiere und des Menschen.
Im Christentum spricht man von Bewahrung der Schöpfung.
Für mich ist sie das Fundament meines Glaubens und meiner Religion. Als Ralf mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte die Hubertusmesse zu halten, habe ich sofort ja gesagt. Weil es genau das ist, was mir entspricht. Religion, Glaube, Natur und Jagd zusammenzubringen. Wir sind die Schöpfung Gottes. Geschöpfe, ebenso wie die Pflanzen und die Tiere auch. Wir haben Verantwortung für uns und unsere Umwelt. Wir haben die Macht und können über die Erde verfügen, zumindest glauben viele das. Nun aber aus der Arbeit mit anderen Menschen wissen wir alle. Wenn ein Mensch versucht über andere zu herrschen ohne, dass er Teil der Gruppe ist, läuft etwas schief. Gruppenmitglieder fühlen sich nicht wahrgenommen oder werden nicht einbezogen. Im Extremfall sprechen wir dann von Diktatur und wir wissen alle, was das für Folgen hat oder auch haben kann.
Nachdem ich Ralf zugesagt habe, sprach ich mit einem Jäger darüber, dass es für mich eine große Ehre ist die Hubertusmesse halten zu dürfen (habe ich heute glaube ich schonmal gesagt) Ich habe ihm gesagt, dass Jagd Religion ist. Darauf bekam ich ein sehr deutliches „NEIN“ zurück. Doch ich werde davon nicht abrücken. Jagd ist ebenso wie das Christentum und auch andere Religionen durch Weitergabe von Wissen, von Traditionen, von Bräuchen und vor allem von Haltungen geprägt.
Als Gott in der Gestalt eines Hirsches erschien hat er von Hubertus gefordert sich für eine Haltung zu entscheiden. Eine vertretbare Haltung zu dem schützenswerten Leben Erden. In einigen Überlieferungen hat er sich entschieden, es zu hegen und zu pflegen und in anderen, ihm nicht mehr zu schaden. Beides entspricht der Haltung der heutigen Jägerschaft. Die Jagd stellt uns täglich existenzielle Fragen. Sie fragt nach dem, was nach dem Tod kommt, nach dem Zusammenwirken von Mensch, Tier und Pflanzen und vor allem fragt sie uns nach dem Sinn. Nach dem Sinn unseres Handelns, nach dem Sinn der Jagd, nach dem Sinn der Hege und Pflege und auch nach dem Sinn des Todes. Den Rest machen unsere Mitmenschen. Ich sage immer, ich kann von jedem etwas lernen. Bei manchen muss man länger suchen als bei anderen, aber es lohnt sich.
Von jedem eurer Mitmenschen könnt ihr etwas lernen.
In der Jagdausbildung lernen wir die Grundsätze der deutschen Jagd: Justiz, Biologie, Ökologie, Ballistik, Brauchtum usw. und auch dort lernen wir schon von anderen ebenso wie nach der Jagdprüfung von unseren Jagdfreund*innen. Es ist eine gelebte Gemeinschaft mit Traditionen, Grundsätzen und eine bestimmte Art und Weise die Dinge zu sehen. Eben eine Weltanschauung. Ein anderes Wort für Weltanschauung: Religion. In unserem Lehrgang sagte jemand, (wahrscheinlich ein Ausbilder), dass wir nach der Jagdprüfung den Wald mit ganzen anderen Augen sehen werden. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen. Das ist so. Und es ist eine Perspektive, die ich nicht mehr missen möchte.