VON HEINRICH KRACKE
Berlin/Verden – Am Ende fiel ein salomonisches Urteil, und am Ende stand die Jägerschaft des Kreises Verden gestern auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin und durfte ihn entgegennehmen. Den Deutschen Engagementpreis. Lina-Sophie Blohme und Jägerschafts-Vorsitzendem Jürgen Luttmann blieb es vorbehalten, die Glastrophäe überreicht zu bekommen. Die Initiatoren von unter anderem 56 Feuchtbiotopen im Landkreis Verden, den Waldjugendspielen im Verdener Stadtwald und der Rettung der Rehkitze vor dem Mähtod teilen sich den Preis mit der Rehkitz- und Tierhilfe Franken, mit der sie sich bei dieser Publikumsabstimmung ein Kopf- an Kopf-Rennen geliefert hatten. Rund 300 Initiativen aus der ganzen Bundesrepublik standen zur Wahl.
„Mindestens alle die hier sind, haben den Preis verdient“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Besondere Projekte zu ehren, das sei das Mindeste, was geschehen müsse. „Ich bin begeistert über die Verschiedenheit der Projekte. Wichtig ist, auch mal auszustellen, was es alles an tollen Projekten gibt“, so Paus weiter. Das stärke den sozialen Zusammenhalt, es stärke die Demokratie. „Wir müssen alle Kräfte sammeln gegen Antisemitismus, gegen Hass und Hetze.“
„Mit dem Deutschen Engagementpreis möchten wir gemeinsam denjenigen danken, die sich mit so viel Einsatz, Zeit und Kraft für unsere Gesellschaft einsetzen“, ergänzte Dr. Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn und Beiratsvorsitzender der Deutsche Bahn Stiftung. „Ihr Engagement ist unverzichtbar – sie sind großartige Vorbilder für mehr Miteinander in unserem Land“, rief er den Preisträgern zu.
Worte, die ankamen. „Eine tolle Wertschätzung unserer Arbeit“, erklärte Jägerschafts -Vorsitzender Luttmann nach der Ehrung in einem ersten Statement. „Wir freuen uns über die Entscheidung, eine Riesenfreude, und ein dickes Dankeschön an alle, die uns unterstützt haben.“ Den geteilten Geldpreis in Höhe von 5000 Euro nimmt er mit auf die Heimreise. Noch sei nicht vollständig klar, wofür die Summe im Detail verwendet werde, aber ein Großteil komme natürlich direkt dem Naturschutz zu Gute, so Luttmann. Die Jägerschaft war zu viert im Deutschen Theater vertreten. Doris Mengel-Ahrens und Leo Schormair machten das Quartett komplett.
Die Laudatio auf die Jägerschaft hielt der Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes. Als langjähriger Naturschützer wisse er, wie wichtig es sei, dass sich auch ein Verband mit neuen Aufgaben beschäftige, sagte Florian Schöne. Mit dem Biotopschutz seien vernetzte Räume geschaffen, was biologisch besonders wichtig sei. Zudem gebe die Jägerschaft ihr Wissen weiter. Sie habe ein Netz mit Schülern geschaffen, dies erzeuge ein Grundverständnis in der Bevölkerung für die Natur, und das bereits im 43. Jahr.
Vorgeschlagen wurde die Jägerschaft über die Bingo-Stiftung, von der sie im vergangenen Jahr mit dem Niedersächsischen Umweltpreis ausgezeichnet worden war. Als anerkannter Naturschutzverein, so die Selbstdarstellung der Jägerschaft beim Deutschen Engagementpreis, engagiere man sich in der Biotoppflege und der Umweltbildung.
Ziel sei es, Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu schaffen und zu erhalten, beispielsweise durch die Gestaltung von Biotopen. Seit 2005 wurden unter anderem 56 Feuchtbiotope angelegt, 23 Hecken gepflanzt, 22 Obstwiesen, 670 Hektar Blühflächen und 10000 Lerchenfenster angelegt. Darüber hinaus organisiert der Verein Waldjugendspiele, an denen jährlich rund 1200 Grundschüler fast aller Grundschulen des Landkreises teilnehmen.
Die Publikumsentscheidung hatte allerdings viel Wirbel ausgelöst. Zum Start lag die Jägerschaft aus dem Landkreis Verden in Führung, ehe die sozialen Medien in Wallung gerieten. Motto: „Solche Menschen dürfen diesen Preis niemals gewinnen“, wie es in einem Post hieß. Zeilen, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Plötzlich fiel die Jägerschaft hinter die Tierhilfe Franken zurück. Beendet war die Hetzjagd auf die Verdener Waidmänner damit freilich nicht.
Die Ausrichter des Deutschen Engagementpreises im Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin blickten eigenem Bekunden zufolge mit Bedauern auf die „unsachliche Diskussion“, auf die Diffamierungen. „Jeder kann natürlich abstimmen, wofür er möchte oder gegen wen er möchte. Das ist nicht das Problem“, sagt Engagementpreis-Teamleiterin Ulla Kux auf Nachfrage. „Aber wenn Beleidigungen dabei sind, haben wir ein Problem.“ Unter anderem habe man der Jägerschaft einen professionellen Leitfaden zur Konfliktkommunikation zukommen lassen. Auch Tipps zum Schutz zumindest des eigenen Accounts seien an die Allermündung weitergeleitet worden.
Der aktuelle Stand des Votings wurde den üblichen Gepflogenheiten folgend in der letzten Woche vor Abstimmungsschluss Ende Oktober nicht mehr veröffentlicht. Wer nun wirklich vorn lag, blieb offen. Auf jeden Fall tagte am Ende die Teamleitung und kam zu einem salomonischen Urteil. Beide sind Sieger.