07.12.2023 VAZ: „Freunde werden wir nicht mehr“

Eiseskälte bei Festakt in Berlin / Empfang für Jäger beim Landrat

Stippvisite gestern Nachmittag im Kreishaus: Landrat Peter Bohlmann und Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth gratulierten der Kreisjägerschaft. Foto: Kracke

VON HEINRICH KRACKE

Verden/Berlin – Doch, sie standen gemeinsam auf der Bühne. Die Jägerschaft aus Verden und die Rehkitzhilfe aus Franken. Die großen Konkurrenten um den Deutschen Ehrenamtspreis. Aber im altehrwürdigen Deutschen Theater in Ber­lin ist auf den Brettern, die die Welt bedeuten, es ist viel Platz. Und der wurde auch gebraucht am Dienstagabend bei der Ehrung. Hüben Jürgen Luttmann und Lina-Sophie Blohme von den Jägern, drüben Simone Schmidt von den Rehkitzrettern. Dazwischen klafften riesige Lücken. Und von Händeschütteln keine Spur, nicht mal von einem freundlichen Blick in Richtung des Konkurrenten. Moderatorin Jana Pareigis legte richtige Wege zurück, wollte sie dem einen der beiden Sieger beim Publikumspreis eine Frage stellen, oder dem anderen. „Ich hatte den Eindruck, für uns war die Welt dort zu Ende, wo die Moderatorin stand“, fasste Jägerschafts-Vorsitzender Jürgen Luttmann die Gefühlslage zusammen.

Verborgen blieb in diesem spannenden Moment nichts. Per Livestream war die Festveranstaltung in Berlin (wir berichteten) in die heimischen Wohnzimmer übertragen worden. Würden sie sich nach dem wochenlangen Kopf- an Kopf­rennen die Hand geben, die beiden Widersacher? Würden sie nicht. Das war schnell klar. Moderatorin Pareigis hatte einleitend durchaus erwähnt, es sei im Vorfeld über das Ziel hinausgeschossen, es seien Grenzen überschritten wor­den. Wie sich hinterher zeigte, konnte von Entspannung keine Rede sein, und das, obwohl seit dem Ende der Publikumsabstimmung rund sechs Wochen ver­strichen waren. Immerhin hatten beide Konkurrenten maßgeblichen Anteil an einem neuen Rekord. Deutlich mehr als 160000 Menschen hatten ihr Voting abgegeben.

Aber nicht nur auf der Bühne klirrte es vor eiseskalter Emotionen, auch die Menschen davor spürten es. Eine Siegerin aus einem der anderen Wettbewerbe des Deutschen Engagementpreises sei nach der offiziellen Ehrung auf ihn zuge­kommen, berichtete Luttmann, sie habe klare Worte gefunden. „Es knirschte auf der Bühne. Was war denn da los?“

Was da los war, bekamen Facebook-Nutzer nur wenige Minuten nach der Ver­leihung des immerhin wichtigsten bundesdeutschen Ehrenamtspreises, einem nach Jury-Urteil salomonisch geteilten Preises, zu sehen. Vier grüne Gesichter tauchten auf dem Kanal des Veranstalters auf, sagen wir es so, vier sich überge­bende Emojis. Unterzeichnet war diese Bewertung von den Rehkitzrettern aus Franken. Luttmann: „Freunde werden wir, glaube ich, nicht mehr.“

Deutlich entspannter die Situation bei der Rückkehr der Jäger-Delegation in Verden. Landrat Peter Bohlmann und die Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth beglückwünschten Luttmann und dessen Team im Kreishaus. „Das ist wie bei Olympia, da gibt es auch gelegentlich zwei Goldmedaillen“, sagte Bohlmann. Er verwies besonders auf die Rolle der sozialen Medien, die bei dieser Abstim­mung mehr Fluch als Segen gewesen seien. „Mit einem fairen Wettkampf hat das nichts zu tun“, sagte der Landrat. In der repräsentativen Demokratie habe es nie Zweifel an der Arbeit der Jägerschaft gegeben. „Bei der Freigabe der Fi­nanzmittel für den Hegefonds herrschte immer breiter Konsens. Meist ist es einstimmig verlaufen, und das seit bereits 15 Jahren.“ Bohlmann verwies dar­auf, der Hegefonds sei inzwischen „ein Modell fürs ganze Land“.

Liebetruth ergänzte, der Deutsche Engagementpreis sei etwas ganz Besonderes und Beleg für die langjährige Arbeit der Jägerschaft. „Die Preisverleihung ist ein guter Anlass, die Menschen aus dem Kreis Verden einzuladen, sich mit der Na­turschutzarbeit, die hier geleistet wird, auseinanderzusetzen.“ Sie habe zuletzt unter anderem die Waldjugendspiele besucht und daraufhin über ihre Kanäle in den sozialen Medien aufgerufen, die Jäger-Initiative beim Deutschen Engagementpreis zu unterstützten. „Ich freue mich sehr, dass die langjährigen Naturschutzmaßnahmen jetzt belohnt wurden. Aber 15 Jahre sind noch nicht genug…“

So freundlich lief es beim Festakt am Vorabend nicht ab. Ein offizielles Foto wurde von jedem der Bundessieger geschossen, eines mit dem jeweiligen Laudator an der Seite. Vor der offiziellen Ehrung fand dieser Foto-Termin statt. Als die Kreisjägerschaft an der Reihe war, blieb der Laudator fern. Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes, ließ die Wartenden wissen, er habe gerade keine Zeit. Larissa Probst, Beiratsmitglied im veranstaltenden Bündnis für Gemeinnützigkeit, sprang ein.

Nach der Siegerehrung sei man aber doch noch mit Schöne ins Gespräch ge­kommen, berichtete Luttmann. „Er hat sich zu uns gesellt, er hat uns die ganze Geschichte erzählt. Beim Verdener Nabu-Vorsitzenden habe er angerufen und sich nach uns erkundigt. Bernd Witthuhn habe ihm bestätigt, die Jägerschaft habe den Preis verdient. Nur deshalb habe Schöne überhaupt die Laudatio ge­halten.“ Witthuhn bestätigte auf Nachfrage dieser Zeitung das Telefonat. „Schöne war früher beim Nabu in Berlin, aus dieser Zeit kennen wir uns. Er wolle nach dem ganzen Shitstorm in den sozialen Medien ergründen, sagte er, ob alles so war.“ Er, Witthuhn, habe bestätigt, die Naturschutz-Initiative der Jä­ger sei „vorbildlich“.

Das Jägerquartett aus dem Kreis Verden habe den Festakt genossen, berichtete Luttmann hinterher. „Wir sind super mit dem Abend zufrieden“, sagte etwa Lina-Sophie Blohme. Wohltuend zum Beispiel der Zuspruch, den sie von Engagementpreis-Teamleiterin Ulla Kux erfahren haben. „Sie freue sich über unsere Teilnahme an der Preisübergabe, sie fragte, ob wir den Abend genossen haben. Wir haben ihn genossen.“