VON ANNE LEIPOLD
Achim – Sie sind Jäger, leidenschaftliche Drohnenpiloten, Naturliebhaber. Sie stehen zwischen Mai und Juli regelmäßig bei Sonnenaufgang am Feldrand, um Kitze vor dem Tod durch die Mahd zu bewahren. „Es ist eine große Ehre“, freut sich Achims Hegeringleiterin Antje Dahlweg über den Ehrenpreis, den die Jägerschaft nun von der Stadt Achim erhalten hat. „Das zeigt, dass das, was wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, richtig ist und Anerkennung findet.“
In dem anfänglich achtköpfigen Team engagieren sich inzwischen 28 Personen als Drohnenpiloten und Helfer. „Die frisch gesetzten Kitze sind sehr klein und schwer zu finden, das kann man nur mit fortschrittlicher Technik“, erklärt Bernd Hense, der über Funk vom Piloten genau gesagt bekommt, wo das Kitz im bis zu kniehohen Gras liegt. Mit einem Korb und einer Fahne wird es gesichert und nach der Mahd wieder freigelassen. „Wenn man draußen ist, sich einrichtet, schnackt, die Sonne aufgeht und plötzlich ist Vogelgesang zu hören: Allein das zu erleben ist phänomenal, das macht das Aufstehen wett. Und wenn man dann noch erfolgreich ist und ein Kitz rettet …“, sagt Hense, und Corinna Stuck ergänzt: … oder sieht, dass das Feld frei ist. Man hat dann so viel Energie am Tag.“
Sie habe Achim und umzu ganz anders kennengelernt, seit sie sich seit der vergangenen Saison als Helferin engagiert. „Ich sehe mehr Zusammenhänge, sehe an der Fellfärbung, wie alt die Tiere sind, ich nehme das Zusammenspiel der Natur und Verhalten der Tiere bewusster wahr.“
Sie sei trotz ihrer zunächst sehr kritischen Einstellung Jägern gegenüber offen und neugierig an die Rehkitzrettung rangegangen und habe dadurch viel über das nachhaltige und ganzheitliche Denken der Jägerschaft gelernt. Ihr Wissen möchte sie mit dem Jagdschein weiter ausbauen – auf Tiere werde sie aber nicht schießen.
Dass er seine Liebe zur Natur und Technik miteinander verbinden kann, begeistert Cord Johannmeyer an der Rehkitzrettung, zu der er 2023 kam. „Für mich war das ein Volltreffer, die Gemeinschaft und Kombination von Natur und Technik. Und es ist ein bisschen Abenteuerlust dabei, kein Einsatz ist wie der andere, man weiß nicht, was einen erwartet. Es ist jedes Mal ein Erlebnis.“
Auch für Volker Michaelis ist es eine tolle Gelegenheit, Technik und Natur zu erleben. Außerdem mag er nach eigenen Worten die Herausforderung der Routenplanung für die Drohnenflüge über die Felder. „Die Drohne zu fliegen ist Nebensache, das Wichtige ist die Kitze zu erkennen. Dabei hilft das Vorprogrammieren, das aber nicht in jedem Fall möglich ist, wie beispielsweise beim Golfplatz“, erklärt er.
Im Vorfeld kümmert sich Udo Faulstich um die Koordination und Absprache zwischen Landwirt, Lohnunternehmer und Jäger. Inzwischen würden immer mehr Landwirte auf die Rehkitzretter zukommen. „Ich glaube, dass auch das Verständnis wächst und die Hemmschwelle sinkt nach Hilfe zu fragen, ein Kitz im Mähwerk ist für viele ein traumatisches Erlebnis“ sagt Dahlweg. Das Verhältnis zu den Landwirten werde freundschaftlicher, es entstehe ein anderes Vertrauen, wenn man gemeinsam am Feldrand steht, stellt Michaelis fest.
Dahlweg wünscht sich, dass mehr Menschen ohne Vorbehalte auf die Jägerschaft schauen, die, wie Faulstich immer wieder betont, überwiegend Hege und Pflege betreibe und die Entnahme der Wildtiere nur einen geringen Anteil von etwa fünf Prozent der Tätigkeit sei. „Die Natur liegt uns am Herzen, an erster Stelle steht die Hege“, sagt Hense. Dahlweg fügt an: „Wir können die Natur nur retten, wenn alle Institutionen zusammen arbeiten und die Kräfte gemeinsam bündeln.“