Quelkhorn – 14 Rebhühner im Familienverband hat Wolfgang Mohr neulich in Ortbergen gesichtet. „Da war ich natürlich happy“, sagt er. Rebhühner in freier Natur sind heute ein Ereignis. Die gefährdete Vogelart ist nur noch selten anzutreffen, ihr Lebensraum weitgehend zerstört. Für die Verbesserung dieses Lebensraums in der Feldflur durch die Umwandlung von Acker- in Blühflächen setzt sich der Verein für Natur-, Arten- und Rebhuhnschutz ein, den Mohr und seine Mitstreiter im Frühjahr in Quelkhorn gegründet haben. Vor ihnen liegt ein Marathon: „Fläche für Fläche für Fläche erkennen und gewinnen“, gibt Mohr das Ziel aus. Für eine „vernünftige Lebensgrundlage des Rebhuhns in unserer Kulturlandschaft“ müssten sieben Prozent der Ackerfläche zu strukturreichen, Deckung und Äsung bietenden Blühflächen werden – jetzt seien es „knapp unter zwei Prozent“.
Fläche für Fläche für Fläche erkennen und gewinnen.
Wolfgang Mohr gibt das Ziel aus
Bei ihrem Bemühen, Landwirten Flächen für Rebhuhn & Co. abzugewinnen, machen die Naturschützer unterschiedliche Erfahrungen: „Bei manchen fliegst du erstmal raus und musst durch die Hintertür wiederkommen, andere sind offen und wollen direkt einen Beitrag leisten“, erzählt Wolfgang Mohr. 17 Flächengeber haben sie derzeit an Bord. Die meisten der bis Ende 2028 gesicherten beziehungsweise geplanten 20 Feldstreifen, insgesamt 11,6 Hektar, werden zeitlich versetzt für jeweils zwei Jahre mit einer speziellen, EU-richtlinienkonformen Blühmischung eingesät. Eine der Flächen stammt aus einem Nachlass und wird von den Erben dauerhaft für Naturschutzprojekte zur Verfügung gestellt.
Das Gebiet des neuen Vereins für Natur-, Arten- und Rebhuhnschutz ist im Grunde identisch mit dem 1400 Hektar großen Jagdrevier Quelkhorn. Acht Jäger haben den als gemeinnützig anerkannten Verein gegründet, der inzwischen auf 20 Mitglieder angewachsen ist. Die dieses Jahr eingesäten Flächen stammen noch aus dem Hegefondsprogramm der Kreisjägerschaft. „Wir arbeiten eng zusammen“, erklärt Mohr. Der Quelkhorner ist in Gemeinde und Landkreis vielfältig für den Natur- und Landschaftsschutz im Einsatz und hat die Vereinsgründung in Quelkhorn initiiert. Mohr hat auch den Vorsitz übernommen, 2. Vorsitzender ist Udo Freßonke, Schatzmeister Matthias Schultalbers und Schriftführer Andree Süß.
Im Prinzip haben die Gründer ihr Engagement nur in eine neue Rechtsform gegossen. Das hat mit der Verwendung von Pacht- und Spendengeldern zu tun. Inhaltlich geht es ihnen weiterhin um „angewandten Naturschutz, das ist in 40 Jahren Jägerschaft schon immer so gewesen“, sagt Süß. Artenschutz werde in der Jagdscheinausbildung gelehrt – „wir leben das“, ergänzt Freßonke.
Auf fünf gekauften Hektar im Quelkhorner Windkraftgebiet erwirtschaftet die Kreisjägerschaft Pacht – ein Drittel davon fließt laut Mohr in die Arbeit des Rebhuhnschutzvereins. „Das reicht, um Saatgut zu kaufen und den Treckerdiesel zu bezahlen“, schildert Freßonke. Außerdem zahlt der Verein den Landwirten eine kleine Entschädigung für die zumeist über zwei Jahre als Naturschutzflächen genutzten Agrarflächen. „Wir kümmern uns um den Boden und das Saatgut“, aber ein gewisser bürokratischer Aufwand bleibt für die Landwirte. „Das geht, weil wir im Dorf ein enges Miteinander haben. Nur so funktioniert es“, unterstreicht Süß.
Dass sich die Aktiven insbesondere der Rebhuhnrettung verpflichtet fühlen, ist der zerstörerischen Ausweitung unserer Kulturlandschaft geschuldet: Seit 1980 sei der Rebhuhn-Bestand um 94 Prozent zurückgegangen. Um Lebensraum für den bedrohten Vogel und damit gleichzeitig für viele weitere Feldtiere zurückzugewinnen, müssten Teile der Agrarflächen in Schutz und Nahrung bietende pflanzliche Biotope umgewandelt werden. „Dafür sind immer wieder wechselnde Flächen erforderlich“, so Mohr. Und dann das Sieben-Prozent-Ziel – weit entfernt, „aber ohne das wird es schwierig“.
„Aus 20 Rebhühnern 200 machen, das ist unsere Mission“, sagt Mohr mit Blick auf einzelne zu schaffende Lebensraum-Inseln. Dabei steht das Rebhuhn als empfindlicher Bodenbrüter, der eine besondere Umgebung braucht, für ein ganzes Ökosystem: „Lebensraum für das Rebhuhn ist auch Lebensraum für Fasane, Kiebitze, Feldlerchen, Wildbienen, Hornissen, Rehe…“, zählt Freßonke auf. Das Rebhuhn sei somit ein Indikator für ein gesundes Ökosystem in der Feldflur.
Um die benötigte Deckung und Nahrung zu bieten, muss eine Rebhuhn- Schutzfläche einerseits dicht, andererseits licht sein und entsprechend versetzt eingesät werden. Außerdem brauchen Rebhuhn & Co. Schutz vor Raubwild. Dem Prädationsmanagement der Jägerschaft kommt dabei besondere Bedeutung zu: Um den Druck von Beutegreifern insbesondere auf gefährdete Arten zu mindern und das Gleichgewicht zwischen Räubern und Beute zu sichern, werden Fuchs und Marder bejagt. „Wir haben 20 Fallen draußen“, schildert Mohr, „ein zu hoher Fuchsbestand ist schädlich für alle anderen Arten.“
Gern gesehen sind in dem jungen Verein weitere Unterstützer, Helfer, Spender oder auch „Paten für Blühflächen“, sagt Süß. Um das Schutzkonzept zu verwirklichen, werden vor allem Flächen gebraucht. „Wer einen Beitrag zum Artenschutz leisten will und eine Fläche übrig hat, kann sie uns gerne zur Verfügung stellen“, wirbt Mohr. 17 Geber seien schon von dem Naturschutzziel überzeugt, aber, so ist sich Mohr sicher, „da geht noch mehr“.
Das Rebhuhn ist der Vogel des Jahres
Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2026, initiiert vom Naturschutzbund (Nabu), hat sich fast die Hälfte der 184.044 Abstimmungsteilnehmer für das Rebhuhn entschieden – nach Ansicht des Nabu „ein klares Signal für den Artenschutz“. Der Nabu Niedersachsen setze gezielt auf Maßnahmen wie rebhuhngerechte Blühflächen und Biodiversitätsberatung: „Das zeigt, wie wirkungsvoll Naturschutz und Landwirtschaft zusammenarbeiten können.“ Um 1990 sei der Rebhuhn-Bestand stark eingebrochen, im Wesentlichen aufgrund der intensiven Landwirtschaft. „In der ausgeräumten Agrarlandschaft findet das Rebhuhn zu wenig Nistplätze und kaum Nahrung“, informiert der Nabu, der das Rebhuhn wegen des starken Rückgangs bereits 1991 zum Vogel des Jahres gekürt hatte.
Kontakt
Wer Kontakt zum Verein für Natur-, Arten- und Rebhuhnschutz Quelkhorn aufnehmen möchte, erreicht den Vorsitzenden Wolfgang Mohr per E-Mail an und telefonisch unter 0173/2489251.
Text und Foto: Petra Holthusen