15.08.2017 VAZ: Verzweifelt gegen die abnehmende Biodiversität

Quelle: F. Köhler

Zum Leserbrief „Schämt euch, Heger“ vom 12. August von Dr. Detlev Richter anläss­lich des Beitrages vom 10. Au­gust 2017 „Das Rebhuhn ist nicht verloren“ schreibt Prof. Dr. Hermann Müffelmann aus Verden:

Wo nehmen Sie eigentlich ihre wissenschaftliche Appro­bation her, Herr Richter, wenn Sie Ihr eigenes Nicht­wissen unterstreichen, was ein Lerchenfenster ist und welchen Nutzen das Reb­huhn überhaupt hat, und im gleichen Zuge mit Nichtwis­sen behaupten, dass die in­tensive Landwirtschaft dafür verantwortlich sei, dass es ge­nug Futter für die Prädatoren Fuchs und Dachs gibt – ohne dass die Biodiversität gefähr­det ist?

Sie sind und haben sich auch nicht umfassend infor­miert: die intensive Landwirt­schaft – oder besser gesagt die europäischen bundespoli­tischen Agrarbedingungen und Fördertöpfe, die die wirt­schaftliche Ausrichtung der Landwirte vorgeben, sind – neben dem Verbraucher selbst als Vorteils Nutzer – hauptsächlich Verursacher für den Rückgang sämtlicher Bodenbrüter.

Die gleichen Adressen sind auch verantwortlich für den dramatischen Rückgang aller Insekten um 80 Prozent vom Jahr 1982 bis zum Jahr 2017. Zum einen ist die vielfältige und kleinflächige Kulturland­wirtschaft der 70er-Jahre ver­schwunden und großflächi­gen Biomaisfeldern gewi­chen. Damit ist vielen Bodenbrü­tern die überwiegend vegeta­rische Nahrungsgrundlage entzogen worden. Das zum Teil mehrjährige und großflächige Spritzen gegen „Schäd­linge“ der Kulturen hat dann schließlich auch die restliche tierische Nahrung von Klei­ninsekten verschwinden lassen.

Die Jägerschaft mit ihrem Hegefond hat – übrigens im Landkreis Verden auch in er­folgreicher Zusammenarbeit mit anderen Naturschutzor­ganisationen – dafür Sorge getragen, dass das Rebhuhn „noch nicht ganz“ verloren ist. In mühseliger Kleinarbeit haben die Helfer in vielen ehrenamtlichen Stunden Klein­biotope, in denen sich die Bo­denbrüter „zurückziehen“ können, geschaffen. Damit konnte sehr vielen Vögeln das Überleben in ihrer Art wohl gesichert, aber kei­nesfalls von der roten Liste gestrichen werden: die Bekassine ist vom Aussterben be­droht, das Rebhuhn und der Kiebitz stark- und die Feldler­che zumindest gefährdet. Tendenz in der Biodiversität: nach wie vor stark abneh­mend. Diese kleinen Rück­zugsgebiete sind in den riesi­gen biodiversitätsarmen Maislandschaften ein Magnet für alle Prädatoren. Ein um­fassendes Forschungsprojekt des DJV über mehrere Jahre hat ergeben, dass der größte Feind des Bodenbrüters Fasan die mangelhafte Ernährung ist – Ursache bekannt!

Der zweite Feind ist das Un­terschreiten einer Mindest­größe und damit auch das Überleben einer Population, die nur dann gesichert ist, wenn die Ausfälle bei den Muttervögeln und Küken in­folge des Prädatoren-Druckes (> 30 Prozent) durch eine ge­nügend große Anzahl im Vor­kommen von autochthonen Hennen selbst ausgeglichen werden kann.

Die Anzahl der Bodenbrüter in einem gesicherten Vor­kommen in den fragmentari­schen Rückzugsgebieten ist als solches keinesfalls über­zeugend! Das Hegefond-Ma­nagement interessiert aber weder den Fuchs, noch den Marder. Sie räubern bezie­hungsweise „ernähren sich“ wie auch der Wolf nach Ange­bot und Nachfrage entspre­chend wirtschaftlichen Ge­setzen: wenig Einsatz, schnel­le Beute, ideale Bedingungen in den Kleinstbiotopen. Inso­fern ist es sehr lobenswert, wenn die Jägerschaft ver­stärkt mit Fallen den Prädatoren nachgeht, um die Vielfalt der Bodenbrüter in ihrer Art zu schützen.

Wenn Ihnen das nicht passt, dann bitte gehen Sie Herr Richter mit gutem Beispiel voran: Sie kehren der intensi­ven Landwirtschaft den Rü­cken und wir kommen damit zurück zur kleinflächigen vielfältigen Kulturland- und Landwirtschaft mit einer grö­ßeren Biodiversität. Dann aber kaufen Sie bitte auch Ihr Steak und ihre Kartoffeln nicht beim Discounter, son­dern für ein paar Euro mehr beim Metzger und beim Bio­bauern.

Die Bundesrepublik Deutschland erzeugt gemes­sen an der Kaufkraft die „bil­ligsten“ Lebensmittel in ganz Westeuropa. Der Preis dafür ist die abnehmende Biodiversität, der die Jägerschaft und auch andere Naturschutzver­bände verzweifelt versuchen, entgegenzuwirken.

Originalbeitrag:

Leserbrief, auf den Bezug genommen wird: