VON HENNING LEESKE
Die invasiven Tierarten wie Waschbär, Marderhund und Nutria wirken sich intensiv auf die heimische Fauna und Flora aus. Im Zuge des Prädationsmanagements werden Beutegreifer im Landkreis Verden gezielt bejagt, um den Druck auf die stark rückläufigen Bestände der Bodenbrüter zu verringern.
Verden – „Als Bauten dienen den Nutrias selbstgegrabene Erdbaue im Uferbereich, deren Eingänge im Gegensatz zum Bisam oder Biber oberhalb der Wasserlinie liegen. Nutrias können über zehn Jahre alt werden und halten keinen Winterschlaf“, erläuterte der Vorsitzende der Kreisjägerschaft, Jürgen Luttmann. Die Nager pflanzen sich zu jeder Jahreszeit fort und bringen nach 19 Wochen jeweils sechs bis acht recht weit entwickelte Nachkommen zur Welt. Nach fünf Monaten sind diese wiederum geschlechtsreif. Zwei bis drei Würfe pro Jahr sind für geschlechtsreife Weibchen die Regel. Vor vier Jahren tauchte die Nutria mit drei erlegten Tieren erstmals auf der Streckenliste des Landkreises auf. Doch die weitere Entwicklung ist beängstigend. Im folgenden Jahr waren es schon 72, dann 184, im letzten Jagdjahr 653 und nach den Informationen, die aktuell aus den Revieren vorliegen, werden es in diesem Jagdjahr wohl an die 2000 werden.
Soviel zu der unglaublich dynamischen Tierart, gerade was ihre schnelle Bestandsentwicklung angeht. Durch den erheblichen Größenunterschied können die Südamerikaner zwar einen anderen Neozoon, die Bisamratte, aus ihren Revieren verdrängen, aber das ist auch schon das einzig Positive; denn ihre Bauanlagen sind wesentlich größer und damit auch gefährlicher als die des Bisam.
So weit, so gut, aber was bedeutet das für die Anwohner von Gewässern? „Die Nutria richtet erhebliche Schäden an Wasserbauanlagen an, dabei unterhöhlt sie Deichanlagen und Uferbereiche“, betonte Jürgen Luttmann bei einem Ortstermin am Allerdeich in Hutbergen. „Das hat sehr negative Folgen für den Hochwasserschutz, weil die ausgehöhlten Stellen ein absoluter Schwachpunkt des Deiches für den Fall einer Flut sein würden“, sagte der Vorsitzende des Deichverbandes Stedorf, Christian Asendorf aus Rieda.
Ein Deichbruch sei durch Wasserausspülungen nicht unwahrscheinlich. Bereits ohne Hochwasser seien die Bauten eine Gefährdung für den laufenden Deichschutz, weil Fahrzeuge zur Überwachung der Deichzustände oder notwendige Baufahrzeuge beim Befahren der Schutzeinrichtung schlichtweg einbrechen könnten. Naturgemäß seien die Folgen eines Nutriabaus erst dann eben für den Fahrer deutlich spürbar oder aber beim Ernstfall des Hochwassers. „Dann ist das Kind aber schon in den Brunnen gefallen und große Schäden für überflutete Wohngebiete seien möglich“, so Asendorf weiter.
Deswegen fand der Ortstermin auch ganz bewusst an der Aller in Hutbergen statt, weil das neue Wohngebiet am Ziegeleiweg unter dem Niveau des Allerpegels liege, gerade bei Hochwasser. Der Verbandstechniker Richard Zorn konnte die statischen Probleme eines Deiches mit innenliegendem Nutriabau bestätigen.
Der Revierpächter Eckhard Brunken in Hutbergen bestätigte, dass bei der Pirsch mit seinem Jagdhund an der Kuhle, die von einem Familienverband mit 15 bis 20 Nutrias bewohnt werde, mehrere Eingänge unmittelbar auch in Allerdeichnähe von seinem vierbeinigen Gefährten gewittert wurden.
„Die Nutria schädigt auch Uferröhrichte durch Fraß, wodurch der Lebensraum seltener heimischer Arten weiter eingeschränkt wird“, ergänzte Luttmann.
Die Jägerschaft sei deswegen auch vom Land Niedersachsen und dem Landkreis Verden zur intensiven Bejagung der Nutria aufgefordert worden, weil die Jäger die Ausbildung haben, diese Tiere tierschutzgerecht zu entnehmen. Weil die Nutrias das ganze Jahr über Junge haben, ist eine praktikable Bestandsregulierung nur ohne Mutterschutz möglich. Deshalb wurde jener für diese Art in Niedersachsen aufgehoben. „Kein Waidmann wird jedoch ein erkennbar säugendes Muttertier töten“, erläuterte Luttmann.
Neben der Bejagung mit dem Gewehr stellen die Jäger der Nutria mit Lebendfallen nach, die mit automatischen Meldern ausgerüstet sind. Der Stedorfer Deichverband habe den Hegering Allermarsch schon mit fünf Fallen finanziell unterstützt. „Das wollen wir in Zukunft auch so weiterführen“, sagte Asendorf. Und Luttmann machte die Sicht der Jäger deutlich: „Die Verhinderung der Ausbreitung dieser Art ist eine gesellschaftliche und keine jagdliche Herausforderung. Wir Jäger sind bereit, unseren freiwilligen und ehrenamtlichen Beitrag zur Lösung dieser Herausforderung zu leisten.“