28.04.2021 VAZ: Insektenschutz ja, aber besser

Mattfeldt und Hocker auf Distanz zu Naturschutzbünden / Nie-dersächsischer Weg favorisiert

Trotz eiskalten Frühjahrs schon in voller Blüte: Der Rübsen, auf den Landwirt Heinrich Luttmann in Klein Heins setzt. Foto: Leeske

Klein Heins – Viel Kritik von lokalen Naturschutzverbänden ernteten die beiden hiesigen Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt (CDU) und Gero Hocker (FDP) weil sie das Insektenschutzgesetz aus dem Umweltministerium unter der Führung der Bundesministerin Svenja Schulze (SPD) ablehnen. Anlässlich der Einladung des Vorsit­zenden der Kreisjägerschaft, Jürgen Luttmann, zur Besichtigung ei­nes Beispiels der Blühflächeninitiative „Verdener Frühjahrsblüte“ (wir berichteten) in Klein Heins nutzten die beiden Politiker nun die Gelegenheit, Stellung zu diesem Thema zu nehmen. Dabei ließen sie über die Parteigrenzen hinweg kein gutes Haar an ihren Kritikern vom örtlichen Naturschutzbund (Nabu).

„Wir wollen alle etwas für die Natur tun“, warb Luttmann für die zweijährige Frühblühermischung. Der Nutzen für das Niederwild und Co sei bei diesem Blühstreifen besonders groß, weil im Frühjahr kein Umbrechen des Feldes mehr nötig ist, und somit eine sehr gute Deckung für Bodenbrüter und anderes Wild frühzeitig vorhanden sei. „Als Ergänzung zu Feldgehölzen und Hecken aus heimischen Sträuchern brauchen wir in unserer Feldflur Arten- und Natur­schutzmaßnahmen, die in den landwirtschaftlichen Produktionspro­zess integriert werden“, erläuterte Luttmann. So werde die Arten­vielfalt und die regionale Erzeugung von hochwertigen Lebensmit­teln gesichert.

Imker Heinrich Kersten (r.) erläutert Gero Hocker, Andreas Mattfeld, Jörn Ehlers und Jürgen Luttmann (v.r.) die Vorteile der Blühmischung für die Insekten. Foto: Leeske

„Ich bin der Hoffnung, dass wir das hinbekommen. Die Landwirte brauchen doch Insekten“, sagte Mattfeldt. Zuvor hatte Kreislandwirt Jörn Ehlers gefordert, Projekte wie in Heins sollten Teil der EU-För­derungen (GAP) für die Landwirtschaft werden. Ehlers: „Alles eine tolle Maßnahme, die Naturschutz und Landwirtschaft gut verbindet, weil die zweijährige Nutzung als Blühstreifen in dieser Form einen großen Nutzen für das Niederwild bringt.“ Trotzdem müsse der landwirtschaftliche Betrieb die Flächen nicht gleich fünf Jahre aus der Nutzung nehmen, sondern eben einen kürzeren Zeitraum, wäh­renddessen der Boden sich erholen könne. Derzeit bezuschusst der Landkreis Verden über den Hegefonds der Jägerschaft jeden Hektar mit dieser Blühmischung mit 600 Euro. „Das anschließende Monitoring ist dabei ganz wichtig. Hier sollte der Landkreis auch mitfinan­zieren“, so Ehlers weiter. Die Blühstreifenmaßnahmen seien wissen­schaftlich zu begleiten, festzustellen sei, wodurch überhaupt eine Zunahme der Insekten-Population entstehe.

Für Hocker war die wissenschaftliche Ausarbeitung des Insektenschutzgesetzes ein Hauptkritikpunkt, weshalb er seine Zustimmung versagte. „Die Ministerin Schulze war nicht in der Lage, eine wissen­schaftlich verifizierte Aussage zu treffen, wie das Gesetz überhaupt den Insektenschutz qualitativ verbessern soll“, schilderte er die Ant­wort auf eine Anfrage seiner Fraktion. Hocker ist übrigens der land­wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Demokraten im Bundes­tag. Den nun trotz des kalten Frühjahrs schon blühenden Rübsen in Heins nannte er eine ideale Beutepflanze für Bienen, weshalb die Frühblüher auch für Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ein ganz wichtiges Thema sein müssten. Das Insektenschutzgesetz sei hingegen reine Klientelpolitik für Naturschutzverbände zum Sammeln von Spendengeldern gewesen. Er verfolge lieber den An­satz, dass der Konsument endlich den angemessenen Preis für die hier produzierten Lebensmittel bezahlen soll, wodurch auch Natur­schutz finanziert werden könne. „Der Kostendruck für die Landwirt­schaft in Deutschland wird immer größer. Die Daumenschrauben immer mehr anzuziehen, geht nicht, weil das zum Abwandern der Produktion ins Ausland führt“, kritisierte Hocker weitere Regulierun­gen der Landwirtschaft durch die Bundesregierung.

Mattfeldt warb für die Unterstützung von lokalen Kooperationen wie im Landkreis Verden, statt mit ordnungspolitischen Beschlüssen aus der Ferne gewachsenes Vertrauen zu gefährden. „Es darf nicht passieren, dass Naturschutz nicht mehr machbar wird. Da sind wir pragmatisch“, so Mattfeldt. Gleichzeitig nannte er das Insektenschutzgesetz kontraproduktiv hinsichtlich des mühsam ausgehandelten Niedersächsischen Weges. Mit diesem Weg könnten viel mehr Flächen mit Blühstreifen versehen werden, als über einen Zwang. „Die Reflexhaltung, die Bauern sind die Bösen, sollte die Ge­sellschaft längst überwunden haben“, sagte Mattfeldt. Der Bund solle sich, so Mattfeldt, nicht aus der Verantwortung stehlen, wenn es um die Finanzierung von Naturschutz gehe. „Der Einzelplan für die Landwirtschaft ist schon enorm. Aber auch in Brüssel sollten wir selbstbewusster auftreten, wie zum Beispiel die Franzosen, wenn es um die Verteilung der Gelder geht. Schließlich zahlen wir am meis­ten ein“, wurde der Haushälter deutlich.

Einig waren sich alle, dass für den Insektenschutz mehr Geld ausge­geben werden sollte, aber die Qualität der Maßnahmen und die ge­sellschaftliche Akzeptanz gewährleistet sein solle. lee