Landkreis – Die späte Oktobersonne taucht den Wald in goldenes Licht, der Morgentau lässt Spinnennetze glitzern – und aus dem herbstlichen Stangenwald ertönen eigentümliche Laute, die an rhythmisches Rülpsen erinnern. Von einer anderen Stelle, nicht weit entfernt, ertönt die Antwort – etwas tiefer und energischer. Eine dritte Stimme gesellt sich hinzu. Auf einmal kommt Bewegung in den Wald. Erst ein Klacken, dann ein Brechen, dann das Krachen von Knochen auf Knochen. Was für Spaziergänger zunächst kurios klingt, ist das untrügliche Zeichen: Die Brunftzeit des Damwilds hat begonnen und erreicht nun ihren Höhepunkt. Und zur Gefahr kann sie sich einer Pressemitteilung der Jägerschaft zufolge für Autofahrer entwickeln.
„Die Damwild-Brunft ist nicht nur ein beeindruckendes Naturschauspiel, sie birgt auch Risiken für den Straßenverkehr“, darauf weist Antje Dahlweg, Geschäftsführerin der Jägerschaft des Landkreises Verden, hin. „Ein Hirsch kann 90 bis 110 Kilogramm auf die Waage bringen – ein Zusammenstoß verursacht nicht nur schwere Schäden am Fahrzeug, sondern kann auch für die Menschen im Auto lebensgefährlich enden.“ Daher gelte: Autofahrerinnen und Autofahrer sollten in den kommenden Wochen besonders vorsichtig fahren, vor allem in der Dämmerung und in Waldnähe. Warnschilder ernst nehmen, Geschwindigkeit reduzieren und bremsbereit sein. „Mit etwas Rücksicht können wir alle dazu beitragen, dass dieses beeindruckende Schauspiel der Natur sicher bleibt – für Mensch und Tier“, so Dahlweg.
Etwa vier Wochen nach ihren größeren Verwandten, den Rothirschen, beginnt bei den gefleckten Damhirschen das große Werben um die Gunst der Kühe – lautstark und eindrucksvoll. Bis zu 40000 Mal am Tag ruft ein Damhirsch, 3000 Mal pro Stunde. Denn in der Welt des Damwilds herrscht Damenwahl: Nur wer sich gegen Rivalen durchsetzt, darf sich fortpflanzen. Kommt ein Nebenbuhler zu nahe, wird nicht lange gefackelt: Mit lautem Krachen prallen die imposanten Schaufelgeweihe aufeinander, die Kontrahenten schieben sich durch den Wald, bis einer aufgibt. Der Sieger sichert sich die Gunst der Hirschkühe – der Verlierer geht leer aus.
Doch nicht nur Rivalen müssen vorsichtig sein. Hormongesteuerte Aggressivität macht die Hirsche in dieser Zeit unberechenbar. Ein unvorsichtiger Rehbock oder ein neugieriger Hund kann plötzlich zum Ziel des Zorns werden. Hundehalter sollten ihre Tiere daher in der Brunftzeit unbedingt anleinen und auf den Wegen bleiben.
Die tradierten Brunftplätze selbst liegen oft an zentralen Stellen, die Hirschkühe wandern über weite Strecken dorthin. Auf dem Weg müssen sie häufig Straßen überqueren. Immer wieder kommt es vor, dass ein Rudel von 20 bis 40 Hirschkühen und Kälbern plötzlich auf der Fahrbahn steht oder in wilder Flucht die Straße überquert. Besonders gefährdet sind junge, unterlegene Hirsche, die in der Dämmerung den Hirschkühen folgen und dabei liebesblind mit Autos kollidieren.
Text: VAZ
Foto: Friedrich Köhler