
Der Insektenschutz ist aktuell in aller Munde und die wichtige Funktion der kleinen Krabbler im Ökosystem gilt als unbestritten. Eine Kooperation von Landwirten, Imkern und der örtlichen Jägerschaft erprobt nun im Landkreis Verden neue Wege für einen Erfolg versprechenden Weg im Artenschutz. Neu daran ist: Im Spätsommer des Vorjahres wird eine extra komponierte Mischung von besonders früh blühenden Pflanzen ausgesät. Ähnliche Projekte gab es im Harzvorland und im Emsland. Das Ziel: Den Insekten schon früh im Jahr ein großes Nahrungsangebot anzubieten, um somit bessere Lebensbedingungen für Nützlinge und bedrohte Arten zu schaffen.
Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor, die Prof. Dr. Werner von Ohe vom Bieneninstitut in Celle bei zwei Monitoringexkursionen in diesem Frühjahr bewertete. Seine Stimme ist Teil eines Berichts an das Niedersächsische Landwirtschaftministerium, das prüfen will, ob diese Art von Blühstreifen mit Herbstaussaat ein Teil der Agrarförderung werden kann.
Aus Sicht der Imker sollen die Frühblüher ein Nahrungsangebot für Bienen sowie bedrohte Insekten sein. Durch die immer geringeren Rapsbestände gerade am Anfang der Vegetationsperiode müssen diese dringend ein ausreichendes Angebot an Pollen und Nektar finden können. Die Blütenpracht der frühen Blühstreifen soll diese eine Lücke schließen. Ziel ist es, ein zusätzliches Angebot zu bereits laufenden Programmen im Landkreis Verden, wie beispielsweise der ,Verdener Imkermischung“, zu schaffen.
Für die Jägerschaft, welche die Kosten für die Saatgut des Pilotprojektes durch den Hegefond übernommen hatte, zählt besonders der mehrjährige Aspekt bei den Frühblühflächen. „Zusätzlich zum Habitat für bedrohte Insekten wird ein Lebensraum und genügend Deckung für Niederwildarten geschaffen. Außerdem beleben weitere Blühstreifen und -flächen die Landschaft und tragen zur Attraktivität ländlicher Räume bei“, schilderte der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Jürgen Luttmann. Die Pflanzen sollen auch nach dem Verblühen Deckung bieten. Besonders für Bodenbrüter sei das positiv, weil der Blühstreifen erst nach zwei Jahren wieder bearbeitet werde.
Bereits im August des Vorjahres begann die erste Aussaat einer Mischung winterharter Sorten. Die Blühpflanzen sollen dann früh und gestaffelt blühen und ein durchgehendes Trachtenband bis zum Frühsommer schaffen. Zielstellungen sind außerdem der Erhalt regionaltypischer Arten von Wildkräutern und Kulturpflanzen sowie die Erfüllung ästhetischer Kriterien im Sinne des Landschaftsschutzes. Das neue Programm „Frühjahrsblüte“ soll zunächst landesweit, später auch bundesweit in die EU-Agrarförderprogramme aufgenommen werden. Beim Verdener Pilotprojekt sind für das laufende Jahr 500 Euro Förderprämie pro Hektar aus dem Hegefonds der Kreisjägerschaft, ab 2021 für das erste Jahr 650 Euro und im Folgejahr 800 Euro eingeplant.
Grundsätzlich muss das Saatgut standortgerecht sein und es gibt angepasste Mischungen für die unterschiedlichen Bodenansprüche – beispielsweise auf der Geest mit Sand und anlehmigen Sand oder Auenlehm in der Wesermarsch.
Je nach Ausbringtechnik sind mindestens acht bis zehn Kilogramm Saatgut pro Hektar erforderlich, sodass eine starke Verunkrautung vermieden wird. „Wichtig ist eine flache Aussaat wegen der Kräuter und eine nachfolgende Walze, besonders bei Trockenheit“, erläutert der teilnehmende Landwirt Wilhelm Hogrefe. Keile und Waldränder seien für das Anlegen von Blühstreifen besonders interessant, weil dann die maschinelle Bewirtschaftung auf der verbleibenden, rechteckigen Fläche des genutzten Schlages viel leichter sei. Die Insekten haben leichten Zugang zur Feldfrucht, beispielsweise Zuckerrüben, um diese vor Schädlingen zu schützen. Hogrefe ergänzt, dass hinsichtlich der Aussaattechnik noch optimiert werden müsse, denn die Mischung besteht aus Dunkelkeimern und Lichtkeimern.
Bereits am 8. April blühten auf seinem sechs Meter breiten Randstreifen die ersten Rübsen, deren gelbe Blüten vielen Insekten bis Mitte Mai Nahrung boten. Ab Ende April blühte dann der Inkarnatklee, auch Rosenklee genannt – auch für etwa sechs Wochen – sowie der blau-weiße Borretsch. Seit Mitte Mai blühen nun die blau-violetten Blüten der Winterwicken. Ende Mai bieten zusätzlich Kornblumen und Klatschmohn Nahrung für Bienen und Insekten. Die zeitliche Abfolge zeigt den Erfolg, ein durchgehendes Trachtenband zu schaffen. „In den Blühstreifen ist immer etwas los im Frühjahr für Bienen und Insekten, nicht nur für einen kurzen Zeitraum“, sagte Imker und Mitinitiator Heinrich Kersten. Er betonte, dass die Frühblüher ausdrücklich auch als Nahrungsangebot für die bedrohten Insektenarten dienen sollen.
Bei der Exkursion wies er auf die Habitate der Wildbienen direkt im lehmigen Sand der Ackerfurche am Blühstreifen hin. Dort hätten die Wildbienen sich ihre Bleibe direkt neben ihrer Nahrungsquelle geschaffen.
Eine gute Entwicklung der vier Flächen rund um Goslar konnte trotz des trockenen Herbstes auch Dr. Gunnar Breustedt, Naturschutzobmann der Jägerschaft Goslar, bestätigen. „Ich bin von dem Bestand begeistert. Für Hase, Rebhuhn und Lerche ist es genau das Richtige. Die Mischung sei im Harzvorland am 25.8.2019 im staubtrockenen 50-60er kiesigen Boden mit sieben Kilogramm Saatmischung pro Hektar gedrillt worden. Nur an einem Randstreifen gab es zu viel Unkraut. Zusätzlich zur frühblühenden Mischung kamen jeweils drei Kilogramm Buchweizen und Sonnenblume. Rübsen sowie Raps blühten bereits Mitte April und Wicke, Inkarnatklee, Kornblume, Phacelia folgten.
Die Ergebnisse überzeugten den zuständigen Fachausschuss des Landkreises Verden. Dem Antrag zur Fortführung der Förderung des Pilotprojekts „Frühjahrsblüte“ im Rahmen des Hegefonds wurde einstimmig stattgegeben. Demzufolge werden im August dieses Jahres ungefähr 20 Hektar weitere „Frühjahrsblüher“ ausgesät. Hauptbestandteile der Aussaatmischung sind Rübsen, Inkarnatklee, Winterwicken, Rotklee und Esparsette. Gut ein Dutzend heimische Kräuterarten kommen hinzu, zum Beispiel die Kuckuckslichtnelke oder die wilde Möhre. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr bestimmen die prozentuale Zusammensetzung maßgeblich.