26/2020 Land&Forst: Pilotprojekt Frühblüher auf Erfolgsspur

Insektenschutz Ein Verdener Pilotprojekt befasst sich mit der Entwicklung frühblühender Blühstreifenmischungen. Erste Rückschlüsse lassen sich bereits ziehen. Wie praktikabel die Kooperation langfristig ist, bleibt abzuwarten.

Die Projektbeteiligten (von links): Landwirt Wilhelm Hogrefe, Bienenexperte Prof. Dr. von der Ohe, Imker Heinrich Kersten und Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Verden. Foto: Leeske

Der Insektenschutz ist aktuell in aller Munde und die wichtige Funk­tion der kleinen Krabbler im Ökosystem gilt als unbestrit­ten. Eine Kooperation von Landwirten, Imkern und der örtlichen Jägerschaft erprobt nun im Landkreis Verden neue Wege für einen Erfolg verspre­chenden Weg im Artenschutz. Neu daran ist: Im Spätsom­mer des Vorjahres wird eine extra komponierte Mischung von besonders früh blühenden Pflanzen ausgesät. Ähnliche Projekte gab es im Harzvorland und im Emsland. Das Ziel: Den Insekten schon früh im Jahr ein großes Nahrungsangebot anzubieten, um somit bessere Lebensbedingungen für Nützlinge und bedrohte Arten zu schaffen.

Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor, die Prof. Dr. Werner von Ohe vom Bienen­institut in Celle bei zwei Monitoringexkursionen in die­sem Frühjahr bewertete. Seine Stimme ist Teil eines Berichts an das Niedersächsische Landwirtschaftministerium, das prüfen will, ob diese Art von Blühstreifen mit Herbstaussaat ein Teil der Agrarförderung werden kann.

Aus Sicht der Imker sollen die Frühblüher ein Nahrungsange­bot für Bienen sowie bedrohte Insekten sein. Durch die immer geringeren Rapsbestände gera­de am Anfang der Vegetations­periode müssen diese dringend ein ausreichendes Angebot an Pollen und Nektar finden können. Die Blütenpracht der frühen Blühstreifen soll diese eine Lücke schließen. Ziel ist es, ein zusätzliches Angebot zu bereits laufenden Programmen im Landkreis Verden, wie bei­spielsweise der ,Verdener Imkermischung“, zu schaffen.

Für die Jägerschaft, welche die Kosten für die Saatgut des Pilotprojektes durch den Hege­fond übernommen hatte, zählt besonders der mehrjährige Aspekt bei den Frühblühflächen. „Zusätzlich zum Habitat für bedrohte Insekten wird ein Lebensraum und genügend Deckung für Niederwildarten geschaffen. Außerdem beleben weitere Blühstreifen und -flächen die Landschaft und tra­gen zur Attraktivität ländlicher Räume bei“, schilderte der Vor­sitzende der Kreisjägerschaft Jürgen Luttmann. Die Pflanzen sollen auch nach dem Verblü­hen Deckung bieten. Beson­ders für Bodenbrüter sei das positiv, weil der Blühstreifen erst nach zwei Jahren wieder bearbeitet werde.

Bereits im August des Vorjah­res begann die erste Aussaat einer Mischung winterharter Sorten. Die Blühpflanzen sol­len dann früh und gestaffelt blühen und ein durchgehen­des Trachtenband bis zum Frühsommer schaffen. Ziel­stellungen sind außerdem der Erhalt regionaltypischer Arten von Wildkräutern und Kultur­pflanzen sowie die Erfüllung ästhetischer Kriterien im Sinne des Landschaftsschutzes. Das neue Programm „Frühjahrs­blüte“ soll zunächst landesweit, später auch bundesweit in die EU-Agrarförderprogram­me aufgenommen werden. Beim Verdener Pilotprojekt sind für das laufende Jahr 500 Euro Förderprämie pro Hektar aus dem Hegefonds der Kreisjägerschaft, ab 2021 für das ers­te Jahr 650 Euro und im Folge­jahr 800 Euro eingeplant.

Grundsätzlich muss das Saat­gut standortgerecht sein und es gibt angepasste Mischungen für die unterschiedlichen Bo­denansprüche – beispielsweise auf der Geest mit Sand und anlehmigen Sand oder Auenlehm in der Wesermarsch.

Je nach Ausbringtechnik sind mindestens acht bis zehn Ki­logramm Saatgut pro Hektar erforderlich, sodass eine star­ke Verunkrautung vermieden wird. „Wichtig ist eine flache Aussaat wegen der Kräuter und eine nachfolgende Walze, besonders bei Trockenheit“, erläutert der teilnehmende Landwirt Wilhelm Hogrefe. Keile und Waldränder seien für das Anlegen von Blühstrei­fen besonders interessant, weil dann die maschinelle Bewirtschaftung auf der ver­bleibenden, rechteckigen Flä­che des genutzten Schlages viel leichter sei. Die Insekten haben leichten Zugang zur Feldfrucht, beispielsweise Zuckerrüben, um diese vor Schädlingen zu schützen. Hogrefe ergänzt, dass hin­sichtlich der Aussaattechnik noch optimiert werden müs­se, denn die Mischung be­steht aus Dunkelkeimern und Lichtkeimern.

Bereits am 8. April blühten auf seinem sechs Meter brei­ten Randstreifen die ersten Rübsen, deren gelbe Blüten vielen Insekten bis Mitte Mai Nahrung boten. Ab Ende Ap­ril blühte dann der Inkarnatklee, auch Rosenklee genannt – auch für etwa sechs Wochen – sowie der blau-weiße Borretsch. Seit Mitte Mai blühen nun die blau-violetten Blüten der Winterwicken. Ende Mai bieten zusätzlich Kornblumen und Klatschmohn Nahrung für Bienen und Insekten. Die zeitliche Abfolge zeigt den Erfolg, ein durchgehendes Trachtenband zu schaffen. „In den Blühstreifen ist immer etwas los im Frühjahr für Bie­nen und Insekten, nicht nur für einen kurzen Zeitraum“, sagte Imker und Mitinitiator Heinrich Kersten. Er beton­te, dass die Frühblüher aus­drücklich auch als Nahrungs­angebot für die bedrohten Insektenarten dienen sollen.

Bei der Exkursion wies er auf die Habitate der Wildbienen direkt im lehmigen Sand der Ackerfurche am Blühstreifen hin. Dort hätten die Wildbie­nen sich ihre Bleibe direkt neben ihrer Nahrungsquelle geschaffen.

Eine gute Entwicklung der vier Flächen rund um Goslar konnte trotz des tro­ckenen Herbstes auch Dr. Gunnar Breustedt, Natur­schutzobmann der Jägerschaft Goslar, bestätigen. „Ich bin von dem Bestand begeistert. Für Hase, Rebhuhn und Lerche ist es genau das Richtige. Die Mischung sei im Harzvorland am 25.8.2019 im staubtrocke­nen 50-60er kiesigen Boden mit sieben Kilogramm Saat­mischung pro Hektar gedrillt worden. Nur an einem Rand­streifen gab es zu viel Unkraut. Zusätzlich zur frühblühenden Mischung kamen jeweils drei Kilogramm Buchweizen und Sonnenblume. Rübsen sowie Raps blühten bereits Mitte Ap­ril und Wicke, Inkarnatklee, Kornblume, Phacelia folgten.

Die Ergebnisse überzeugten den zuständigen Fachaus­schuss des Landkreises Verden. Dem Antrag zur Fort­führung der Förderung des Pilotprojekts „Frühjahrsblüte“ im Rahmen des Hegefonds wurde einstimmig stattge­geben. Demzufolge werden im August dieses Jahres un­gefähr 20 Hektar weitere „Frühjahrsblüher“ ausgesät. Hauptbestandteile der Aussaatmischung sind Rübsen, Inkarnatklee, Winterwicken, Rotklee und Esparsette. Gut ein Dutzend heimische Kräu­terarten kommen hinzu, zum Beispiel die Kuckuckslichtnelke oder die wilde Möhre. Die Erfahrungen aus dem ver­gangenen Jahr bestimmen die prozentuale Zusammenset­zung maßgeblich.