24.05.2022 VAZ: Leserbrief: Ein Plädoyer für die Rehkitzrettung Landwirte in der Pflicht

Beispielbild Foto: Gunther Theis

Rehkitzrettung Fischerhude, Berichte vom 21. April 2022 und 20. Oktober 2021.

So mancher Naturfreund verfolgt in diesen Wochen die Setz- und Aufzuchtzeit des heimischen Rehwildes. Der Anblick einer Ricke mit ihrem Nachwuchs erfreut die Herzen vieler Menschen. Als Naturliebhaber und zugleich Jagdausübungsberechtigtem geht es mir nicht anders. Dabei ist es nicht nur die Faszination für die Abläufe in der Natur, sondern auch die mit der Ausübung der Jagd verbundene Pflicht zur Hege, die mein Interesse alljährlich auf die Notwendigkeit zum Schutz der Rehkitze während der Mähsaison lenkt.

Mit höchstem Respekt verfolge ich in diesem Zusammenhang die zahlrei­chen Einsätze des Vereins Rehkitzrettung Fischerhude. Ausgerüstet mit mo­dernen Drohnen samt Wärmebildtechnik, engagieren sich die Mitglieder nebst zahlreichen Helfern alljährlich intensiv für das Auffinden, Vergrämen oder Festsetzen abgelegter Rehkitze und bewahren Hunderte Tiere so vor dem sicheren Mähtod.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei diesen Einsätzen ganz sicher in einem rei­bungslosen Kommunikations- und Informationsfluss zwischen unseren Landwirten, den zuständigen Jagdpächtern sowie den Teams der Rehkitzrettung. Mehrfach konnte ich mich persönlich davon überzeugen, dass dieser von vielen Landwirten und von der Jägerschaft unterstützte Prozess in vielen Fällen sehr effektiv funktioniert und so zu sehr überzeugenden Ergebnissen bei der Rehkitzrettung führt.

Doch offensichtlich sind sich nicht alle Landwirte ihrer Verpflichtung be­wusst, sei es aus Unkenntnis, Desinteresse oder schlicht Ignoranz. Aufgefun­dene zerstückelte Rehkitze oder nachweislich unkoordiniert abgemähte Flä­chen, auf denen weder ein Absuchen noch eine Vergrämung der Kitze statt­gefunden hat, belegen die Problematik auf erschreckende Weise. Und genau in diesen Fällen hapert es häufig an der nötigen Initiative der verantwortli­chen Landwirte, an einer fehlenden oder verspäteten Kontaktaufnahme mit den an der Kitzrettung beteiligten Personen. Diskussionen über Verantwort­lichkeiten und Schuldzuweisungen sind in diesem Kontext wenig hilfreich und eher kontraproduktiv, zumal die Rechtslage eindeutig ist und keinen Raum für Diskussionen zulässt. Danach ist es, im Sinne des im Grundgesetz verankerten Tierschutzes, verboten, wild lebende Tiere ohne vernünftigen Grund zu verletzen oder zu töten. Nach gängiger Rechtsprechung ist die Mahd, ohne Maßnahmen zum Schutz dieser Tiere, kein vernünftiger Grund, ein Tier zu töten oder zu verletzen.

Da vom Landwirt mit der Einleitung der Mahd die Gefahr für wild lebende Tiere ausgeht, obliegt ihm auch die Pflicht zur Hege. Nach dem Verursacher­prinzip ist der Landwirt somit primär für das Absuchen seiner Flächen vor der Mahd zuständig und verantwortlich, indem er alle möglichen und zumut­baren Vorsorgemaßnahmen treffen muss, um die Verletzung oder Tötung von Kitzen zu verhindern. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach und führt vorsätzlich oder fahrlässig den Tod wild lebender Tiere herbei oder nimmt diesen billigend in Kauf, begeht er eine Straftat, die mit empfindlichen Geldbußen bis hin zu einer Haftstrafe geahndet werden kann, wie zahlreiche Urteile belegen.

Doch dazu muss es gar nicht kommen. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen, Landwirte zeitig vor der Mahd die Initiative er­greifen und Kontakt mit den zuständigen Revierpächtern aufnehmen, damit alle erforderlichen Maßnahmen organisiert auf den Weg gebracht werden können. Die Rehkitzrettung Fischerhude steht mit mehreren Teams für Ein­sätze zur Kitzrettung bereit (nähere Informationen und Anfragen unter www.rehkitzrettung-fischerhude.de).

Sicher werden die passionierten Kitzretter aufgrund möglicher personeller Engpässe nicht jede Anfrage bedienen können, sicher werden die Vergrämungsmaßnahmen der Jäger nicht jedes Kitz retten können. Die aktuell zu verzeichnenden Erfolge rechtfertigen den betriebenen Aufwand, die Mühen und alle zu ergreifenden Maßnahmen aber in jedem Fall. Was bleibt, ist der dringende Appell an die wenigen Unwissenden und die ewig Uneinsichtigen, die offenbar glauben, über dem Gesetz zu stehen, indem sie ihrer Pflicht und Verantwortung nicht nachkommen.

Gunther Theis
Oyten

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