13.06.2022 VAZ: Wärmebildkamera wacht über Wildtiere

Jägerschaft des Landkreises Verden baut Kitzrettungsteam mit Landwirten erfolgreich auf

Gespannter Blick auf die Drohne kurz vorm Abheben: das Drohnenteam im Hegering Wesermarsch, vorne Koordinator Ralf Radeke. Foto: Albrecht

Thedinghausen – Viele Landwirte stehen auf dem Standpunkt, es sei ausschließlich die Aufgabe der Jäger, zu verhindern, dass Kitze bei der Mahd verletzt oder getötet werden. Dies ist so nicht ganz richtig: Zwar sind die Jäger aufgrund ihrer Hegeverpflichtung gemäß Paragraf 1 des Bundesjagdgesetzes verpflichtet, an Maßnahmen zur Kitzrettung mitzuwirken. Die überwiegende Pflicht trifft jedoch den Landwirt.

Aber Landwirt und Jäger arbeiten schon seit Jahren sehr eng zusammen. Die erste Mahd fällt zusammen mit der Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere, die in Wiesen ihren Nachwuchs aufziehen. Die Jägerschaft des Landkreises Verden hat deshalb im vergangenen Jahr mehrere Drohnen mit Wärmebildtechnik angeschafft und Kitzrettungsteams aufgebaut, die den Landwirten helfen können, Jungwild vor den tödlichen Gefahren bei der Mahd zu schützen.

Ein Team hat sich erfolgreich im Hegering Wesermarsch gebildet und in den letzten Monaten haben sechs Waidgenossen inzwischen ihren großen Flugschein für Drohnen erworben. „Einige befinden sich noch in der Ausbildung“, sagte Hegeringleiter Ralf Radeke, der die Kitzrettung koordiniert.

Natürliche Schutzstrategien wie das „Ducken und Tarnen“ schützen das Wild zwar vor Fressfeinden wie den Fuchs, nicht aber vor den Erntemaschinen. „Über Jahre sind wir früher mit unseren Hunden die Wiesen abgelaufen“, erzählt Radeke.

Die Kitze haben in den ersten zwei bis drei Wochen aus Eigenschutz keinen Eigengeruch und konnten von Hunden nur durch Zufall aufgespürt werden. „Die entstandene Unruhe durch Hund und Mensch hat die Ricke eher veranlasst, den Ablegeort für ihre Kitze zu wechseln“, erzählt Jürgen Luttmann, Vorsitzender der kreisverdener Jägerschaft.

So haben wir Wildtieren vermeidbare Leiden oder Qualen erspart. Und dafür lohnt es sich morgens um 4 Uhr aufzustehen.

Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Verden

Co-Pilot Harald Weiner (links) und Hans-Hermann Westermann beobachten den Bildschirm und suchen nach Auffälligkeiten. Foto: Albrecht

Für ein Entengelege kam bei den ersten Einsätzen Anfang Mai die Hilfe fast zu spät. Dort hatte es die Entenmutter erwischt, die zuvor allerdings das Gelege in einer Mulde versteckt hatte, damit der Nachwuchs das Mähwerk unbeschadet überstehen konnte. Die zwölf unversehrten Eier wurden von Jäger Hans-Hermann Westermann zum Brutexperten der Morsumer Geflügelzüchter Hermann Oelkers gebracht. Mit Erfolg. Anfang Juni schlüpften zehn putzmuntere Entenküken, die jetzt bei einem Jäger aufgezogen und dann ausgewildert werden.

Aber zurück zur Rettung mit der Drohne. Die Kitzrettungsteams helfen am Morgen des Erntetages, Jungtiere auf den zu mähenden Flächen mithilfe der Wärmebildkameras zu lokalisieren und sie in Sicherheit zu bringen.

Rund 10 000 Euro kostet das Equipment, das Drohne und Wärmebildkamera, einen zusätzlichen Monitor und anderes umfasst. „Ein Batzen Geld, das wir zum Teil von Stiftungen und über Spenden bekommen haben. Den Rest hat die Jägerschaft dazubezahlt“, war von den Waidgesellen zu hören.

Ralf Radeke startet zu Vorführungszwecken die Drohne. Da es fast abends ist, gibt es nicht viel zu entdecken. Aber immerhin ein Hase wird mithilfe der Kamera aufgespürt und Maulwurfshaufen sind auf dem Bildschirm zu erkennen. „Morgens ist das natürlich anders. Die Umgebungstemperatur ist noch recht niedrig und die Wärmebildkamera kann die Kitze genau lokalisieren, falls welche in der Wiese sind“, klärt Radeke auf.

Bei der witterungsbedingten, sehr frühen ersten Mahd Anfang Mai wurden lediglich zwei Kitze aufgespürt. „Die Setzzeit der Rehe ist eigentlich von Mitte Mai bis Anfang Juni“, sagt Jürgen Luttmann. Und die Trefferquote hat sich dann vor wenigen Tagen komplett verändert. Sage und schreibe 14 Kitze auf einer großen Wiese wurden aufgespürt. „Das ist total selten, aber die Ricken müssen diesen ruhigen Ort wohl geliebt haben. So haben wir Wildtieren vermeidbare Leiden oder Qualen erspart. Und dafür lohnt es sich, morgens um 4 Uhr aufzustehen“, stellt Luttmann fest. Dafür gibt es ein zustimmendes Nicken vom Drohnenteam.