08.05.23 VAZ: Der Mythos vom weißen Damwild

Tiere nicht hegewürdig / Entnahme durch Landkreis empfohlen

Über 30 Stück Damwild, darunter sechs weiße Exemplare, am Übergang von der Allermarsch zum Geestrücken. Fotos: lühning

Otersen/Wittlohe – Im Süden der Gemeinde Kirchlinteln, der waldreichsten Gemeinde im Landkreis Verden, fühlen sich insbesondere Reh- und Damwild offenbar sehr wohl. Bei Spaziergängen in Wald und Flur entdecken aufmerksame Einwohner oft Damwild-Herden von über 40 Tieren, in Einzelfällen wird von Herden mit mehr als 80 Tieren bei Wittlohe am Lohberg berichtet. In Otersen gelang ein Foto von über 30 Stück Damwild, darunter sechs weiße, weibliche Damtiere und wenige Jung-Hirsche.

Die 1 496 Hektar, also fast 15 Quadratkilometer große Gemarkung Otersen bietet ein vielfältiges Landschaftsbild: Allermarsch und Grünland mit vielen Hecken und Knicks im westlichen Teil, sandige Geestböden, Heide- sowie Moorflächen und im Osten, an der Kreisgrenze zum Heidekreis, den Oterser Bruch, mit anmoorigen Böden.

Über 330 Hektar und damit 22 Prozent der Gemarkung sind Waldflächen, gut 60 Prozent der Gemarkung werden landwirtschaftlich genutzt.

Eine sonntägliche Wanderung wurde zu einer Fotosafari – mit Fotos von zwei Störchen auf einer Ackerfläche, mit Schwänen auf den Wasserflächen am Schöpfwerk und Rehböcken an verschiedenen Stellen. Zwischen Allerdeich und Hecken gelang eine Nahaufnahme von einem weißen Damhirsch, der als Einzelgänger die Frühlingssonne genoss. Hauke Schormair, Jäger in Otersen und zweiter Vorsitzender der Kreisjägerschaft, gab zu der Sichtung folgende Erläuterungen: „Das Foto zeigt einen alten, weißen Hirsch, der sein Geweih frisch abgeworfen hat. Das machen die Damhirsche in diesen Wochen, um innerhalb von 16 Wochen ein neues Geweih zu ,schieben’. Rechtzeitig zur Hirschbrunft im Oktober ist das neue Geweih komplett ausgebildet.“

Gut zwei Stunden später gelangen Fotos von der über 30-köpfigen Damwild-Herde. Am Übergang von der Allermarsch zum Geestrücken, am sogenannten „Leernesch“ im Nordwesten der Gemarkung, posierten die überwiegend weiblichen Damtiere und einige Jung-Hirsche vor der Kamera mit Teleobjektiv, ohne sich vertreiben zu lassen.

Hauke Schormair zum Damwild-Gruppenbild: „Das Rudel ist weibliches Damwild und rechts auf dem Foto sind einige junge Hirsche mit den Knubbeln auf dem Haupt zu sehen. Die Hirsche sind die Jugendlichen aus dem letzten Jahr, die stehen nun eher noch bei den weiblichen Tieren.“

Die sechs weißen Tiere sind allesamt weiblich. Es handele sich nicht um Albinos, dann hätten sie rote Augen, war von Hauke Schormair zu erfahren. Im Volksmund hält sich der Mythos, dass weiße Hirsche nicht geschossen werden, weil es sonst in der Familie des Jägers binnen Jahresfrist zu einem Todesfall kommen würde.

Weißes Damwild gilt in der freien Wildbahn als „nicht hegewürdig“ (Quelle: Wikipedia) und darf gezielt geschossen werden.

Ein weisser Damhirsch, der sein Geweih abgeworfen hat (Foto: Lühning)

Hauke Schormair bestätigt, dass es keinen besonderen Schutz für weißes Damwild mit der unnormalen Färbung (Farbmorphe) gibt. Im Gegenteil: Die vom Landkreis Verden als unterer Jagdbehörde herausgegebenen Jagd-Empfehlungen enthielten eine bevorzugte Entnahme der weißen Tiere.

Diese sind im Raum Otersen und Wittlohe keinesfalls eine Seltenheit. Ihre Zahl dürfte annähernd ein Dutzend betragen – während es in früheren Jahrzehnten eher zwei, mal auch drei „Weiße“ waren.