14.06.2022 VN: Rettung per Drohne

Die Jägerschaft des Landkreises Verden setzt bei der Suche nach Rehkitzen auf neueste Technik

Die Hilfe kommt von oben: Ralf Radeke (Drohnenpilot, vorne) lenkt die Drohne, um Rehkitze ausfindig zu machen, die sonst Erntemaschinen zum Opfer fallen könnten. FOTO: BJÖRN HAKE

von Gisela Enders

Thedinghausen. „Rehkitze, die während der Mähsaison verletzt oder getötet werden, sind ein Anblick, den man nicht so schnell vergisst“, erklärt Jürgen Luttmann, Vorstand der Jägerschaft des Landkreises Verden. Um während dieser Zeit Tierleid so gering wie möglich zu halten, sei daher jeder Landwirt verpflichtet, die zu mähenden Flächen vor dem Einsatz der Erntemaschinen abzusuchen.

Geschah das in der Vergangenheit mit Unterstützung von Jagdhunden, wird inzwischen vermehrt auf den Einsatz von Drohnen gesetzt, deren Wärmebildkameras ein Aufspüren der Jungtiere zum Kinderspiel machen.

Drei Exemplare mit einem Wert von jeweils 7000 Euro seien inzwischen angeschafft worden, berichtet Ralf Radeke, Leiter des Hegeringes Wesermarsch, „und für die erforderlichen Akkus, eine Power-Ladestation und zwei Funkgeräte kamen jeweils noch einmal 3000 Euro oben drauf“. Eine hohe Investition also, sind sich die neun Mitglieder des Rettungsteams einig und freuen sich darüber, dass die Hälfte davon durch die Bingo-Umweltstiftung finanziert wurde. Zusätzliche Beiträge leisteten die Volksbank, die Jagdgenossenschaften, mehrere Landwirte und weitere örtliche Sponsoren. Eingesetzt werden die Geräte im Bereich Verden- Süd, in der Region Ottersberg und in der Wesermarsch; eine Akkuladung reicht in der Regel für acht bis zehn Hektar. Und solch ein Einsatz muss selbstverständlich auch regelmäßig geübt werden. So geschehen vor Kurzem auf einem Feld in Beppen in der Gemeinde Thedinghausen.

16 Kitze gefunden

Über die Effektivität der Präzisionsgeräte gäbe es keine zwei Meinungen, sind sich die Tier- und Naturschützer einig. So seien am 2. Juni zum Beispiel 22 Hektar Land überflogen und dabei 16 Kitze gefunden worden, beschreibt Ralf Radeke das Unterfangen im Morgengrauen: „Die Tiere wurden in Jutebeuteln verstaut und am Rand des Geschehens an einer schattigen Stelle abgelegt.

Nach Abschluss der Mahd wurden die Hüllen vorsichtig entfernt, um der Ricke die Möglichkeit zu geben, sich dem Jungtier wieder zu nähern.“ Seien die Tiere erst einmal zwei bis drei Wochen alt, gelinge die Flucht ohne Hilfe. Immens wichtig bei der Aktion: das Tragen von Einmal-Handschuhen zum Schutz der Tiere vor menschlichem Geruch.

Auf dem Bildschirm können Andreas Minge (links) und Ahmed Meyer anhand des Wärmebildes erkennen, wo sich ein Tier versteckt. FOTO: BJÖRN HAKE

Bevor die Sonne am Himmel steht, müssten die Einsätze beendet sein, da die Kameras bei Helligkeit und aufgeheiztem Boden nicht mehr störungsfrei arbeiten können. Wind und natürlich auch Regen behinderten die Flüge ebenfalls, in Einzelfällen müsse neu angesetzt werden, informiert der Hegeringleiter.

Von einem relativ seltenen Ereignis berichtet Heiner Albrecht vom Geflügelzuchtverein Morsum. So habe die Kamera kürzlich statt eines Kitzes ein Entengelege ausfindig gemacht, das gerade in der Zuchtstation ausgebrütet werde. Wildgeflügel sei robust, versichert der Experte, sodass ein Überleben der Tiere gesichert erscheint. Sogenannte Nebenfunde kämen jedoch nicht allzu oft vor.

Wo Drohnen noch nicht zum Einsatz kommen, wird nach wie vor auf Jagdhunde gesetzt. Am Abend vor dem Ernteeinsatz laufen die Jagdpächter das Areal mit ihren Hunden ab und vergrämen das Wild durch deren Geruch. Die Kitze selbst werden dabei nicht aufgespürt, da sie sich an den Boden ducken, ihre Poren verschließen und geruch- und regungslos verharren. „Auf welche Weise auch immer der Schutz vonstattengeht, Landwirte und Jägerschaft arbeiten eng zusammen“, zeigt sich Jürgen Luttmann zufrieden über die gemeinsame Arbeit, und auch die Arbeit im Drohnenteam mit Pilot, Kopilot und Hilfskräften bezeichnet er als vorbildlich. Das Gewicht der Geräte, die zehn Hektar Land in einer halben Stunde absuchen könnten, beziffert er mit 920 Gramm. Pro geortetem Kitz dauere der Einsatz etwa zehn Minuten länger; der Fundort wird jeweils per Funk gemeldet.

Schon recht bald ist die Aufgabe für diese Saison jedoch erledigt, da die Setzzeit in der Regel Mitte Juni endet.