08.12.22 Achimer Kreisblatt: Stolz und deprimiert zugleich

Rehkitzrettung Fischerhude beklagt mangelnde Kooperation vieler Landwirte

Das kleine Kitz gehört zu einer geheim gehaltenen Anzahl von Jungtieren, die die ehrenamtlichen Fischerhuder Rehkitzretter in diesem Jahr vor Tod und Verstümmelung im Mähwerk bewahrt haben. Beispielbild von Maik Hanke

Dazu auch: Leserbrief von J. Luttmann, hier zu finden.

VON PETRA HOLTHUSEN

Fischerhude – Was die Anzahl der geretteten Jungtiere angeht, so hat die Rehkitzrettung Fischerhude in ihrer vierten Drohnensuchsaison die Erfolgsbilanz erneut nach oben geschraubt. Genaue Zahlen nennt die Vereinsvorsitzende Sarah Meyer ab diesem Jahr jedoch nicht mehr – aus gutem Grund, wie sie sagt: Schon im Vorjahr hätten Jäger in Fischerhude eine höhere Abschussquote gefordert, nachdem bekannt geworden sei, dass die Tierschützer vor der ersten Mahd auf den Wiesen 270 Rehkitze vor Tod und Verstümmelung im Mähwerk bewahrt und ihnen damit das Großwerden ermöglicht hatten. Dem Ansinnen der Jäger wolle die Rehkitzrettung keine weitere Nahrung liefern, sagt Meyer. Auch die Zusammenarbeit mit Landwirten nennt sie „deprimierend“.

Stolz dagegen ist die Gründerin der Rehkitzrettung Fischerhude, die allein von Spenden und freiwilligem Engagement getragen wird, auf ihr Team und das in diesem Jahr Erreichte: 33 Helferinnen und Helfer – darunter vier zertifizierte Piloten, die die Suchdrohnen mit den Wärmebildkameras steuern – waren von April bis Juli an 39 Tagen im Einsatz. In 101 Missionen suchten sie im Auftrag von Landwirten insgesamt 2094 Hektar Wiesenland vor der Mahd nach versteckten Kitzen ab. Das Einsatzgebiet der vielfach angefragten Such- und Sicherungsteams erstreckt sich inzwischen über das gesamte Gebiet der Gemeinden Ottersberg und Oyten sowie bis nach Oberneuland und in den Nachbarkreis Osterholz.

Wir müssen einmal ganz eindrücklich sagen, dass wir in Zukunft die von uns sogenannten „Alibi-Landwirte“ nicht mehr bedienen möchten

Sarah Meyer, Vorsitzende der Kitzrettung Fischerhude

Dass insgesamt deutlich mehr Rehkitze als in den Vorjahren gefunden worden seien, erklärt Meyer mit dem „wetterbedingt früheren Saisonstart“ und die dadurch erhöhte Anzahl von Einsatztagen und Hektar in einem stark vergrößerten Einsatzgebiet. Neben Rehkitzen retteten die Teams auch ungezählte Junghasen, Fasanen- und Rebhuhnküken, Igel, Brachvogel- und Entengelege.

Inzwischen ist Meyer mit der Planung der Saison 2023 gestartet, für die sie dringend weitere Helfer sucht. „Coronabedingt hatten wir 2020 und 2021 das Glück, dass viele Helfer im Homeoffice tätig waren und dadurch in den frühen Morgenstunden vor ihrer Arbeit zur Verfügung standen. Dieses Jahr gestaltete sich die Bildung der Teams zeitweise schon schwieriger“, berichtet die Koordinatorin. „Alle, die einmal helfen und erleben, was für ein Glücksgefühl es ist, die gut versteckten Kitze zu finden, zu sichern und zu retten, machen gerne immer wieder mit“, beobachtet Sarah Meyer. Allerdings machten es die Kurzfristigkeit der oftmals erst am Vorabend planbaren Einsätze und die frühmorgendliche Zeit der Treffen gegen 4 Uhr für viele Helfer schwierig.

Überwiegend enttäuschend findet Meyer die Kooperation mit den Landwirten: „Einige arbeiten toll mit uns zusammen. Viele denken allerdings noch immer, sie würden uns einen Gefallen tun, indem sie uns benachrichtigen und absuchen lassen. Aber Fakt ist: Die Landwirte sind gesetzlich verpflichtet sicherzustellen, dass beim Mähen kein Wirbeltier zu Schaden kommt!“ Das sei in der Realität für die Landwirte selber kaum zu schaffen. „Wir als gemeinnützig anerkannter Verein machen das rein ehrenamtlich; die Helfer verfahren sehr viel Benzin und stehen alle mitten in der Nacht auf. Da ist es umso ärgerlicher, wenn es an Kommunikation und Kooperation fehlt“, erklärt die Vorsitzende.

Die Helfer „erleben so manches Mal Dinge, die unglaublich sind“, schildert Meyer. So sei es frustrierend, wenn nach der Absuche von über 100 Hektar und Sicherung von zehn Rehkitzen „plötzlich entgegen der Absprache nicht alle Flächen gemäht werden und die Kitze wieder freigelassen werden müssen, nur um dann am nächsten Tag vermäht zu werden“. Es passiere sehr häufig, dass vorher Besprochenes nicht eingehalten werde, „und wir müssen mal ganz eindrücklich sagen, dass wir in Zukunft die von uns so genannten ,Alibi-Landwirte’ nicht mehr bedienen möchten“.

Rechtlich aus dem Schneider und vor Strafe geschützt seien diese deshalb keineswegs: „Dann müssen halt leider andere Maßnahmen getroffen werden, auch wenn diese nicht so effektiv sind wie die Absuche mit Copter und Wärmebildkamera“, erklärt Meyer. Der zuständige Jagdpächter müsse ja sowieso über die Mahd informiert werden und habe dann die Möglichkeit, am Vorabend für geräuschvolle Störungen innerhalb der Wiesen zu sorgen, „damit die Ricken unruhig werden und über Nacht ihre Kitze herausführen“.

Infos und Kontakt

Weitere Menschen im Helferteam sind der Rehkitzrettung ebenso willkommen wie fördernde Vereinsmitglieder und Spender für die laufenden Kosten. Nähere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden sich im Internet unter www.rehkitzrettung-fischerhude.de.