ERIC SCHUMACHER
Verden/Luttum – Es war 13 Uhr, als die Verdenerin Friederike Joost am Montag in Richtung Hohenaverbergen auf ihrem Fahrrad unterwegs war. In Luttum, auf Höhe der Brücke über den Drommelbeck, bemerkte sie einen Dammhirsch in einem nahegelegenen Waldstück. Sein Kopf war in Richtung Boden gerichtet, es flatterte etwas Buntes um sein Geweih.
Dass sich Wildtiere in den Weidezäunen verfangen, ist ein Problem, das wir immer häufiger beobachten.
Jürgen Luttmann
Es stellte sich heraus: Der Hirsch hatte sich in einem Weidezaun verfangen. Ein großes Knäuel der orangefarbenen Zaunmaschen steckte nahezu unlösbar zwischen seinem Geweih, hatten sich gleich mehrfach verwickelt. Dazu schleppte das Wildtier etliche Pfeiler, mit denen das Band verbunden war, hinter sich her.
Das Gewicht der Pfeiler drückte den Kopf nach unten.
„Das Tier war ziemlich aufgeregt. Mir kam es vor, als würde sich sein Brustkorb bei jedem Herzschlag um zehn Zentimeter weiten“, schildert Joost ihre Eindrü-cke. Jäger Harm Helmke sei später hinzugekommen und habe versucht, das aufgeregte Tier aus seiner Falle zu befreien. Er hielt das Tier fest und hinderte es daran, auf die nahegelegene Landstraße zu laufen. „Das Tier ist teilweise bis zu zwei Meter hochgesprungen. Das kann bei so einem Dammhirsch schon ziemlich gefährlich werden“, erzählt Jäger Helmut Meyer. Mit Unterstützung von zwei weiteren Männern gelang es schließlich, die Beine des Wildtiers festzubinden und den verstrickten Zaun abzuschneiden.
In diesem Fall hatte der Damhirsch Glück. Er konnte rechtzeitig gefunden wer-den, ehe er sich schwerwiegend verletzte oder irgendwo hängenblieb. Ohne Hilfe, droht dann der Hungertod. Ein Schicksal, das etliche Dammhirsche ereilt habe. „Dass sich Wildtiere in den Weidezäunen verfangen, ist ein Problem, das wir immer häufiger beobachten“, sagt Jürgen Luttmann, erster Vorsitzender der Jägerschaft Verden. Dammhirsche spielen gerne mit den Seilen, erzählt Lutt-mann. „Leider verstricken sie sich oftmals und können sich nicht mehr selbst befreien.“
In vielen Fällen werden die Tiere nicht rechtzeitig gefunden und sind beim Antreffen der Jäger bereits verhungert oder verdurstet. Oder sie haben sich so unglücklich mit den Seilen verwickelt, dass sie sich damit strangulieren, sich die Schlingen immer enger ziehen. „Das ist für die Tiere ein wirklich qualvoller Tod“, weiß Luttmann. Jährlich seien es mehrere Dutzend Wildtiere, die die Jäger im Landkreis in verhedderten Weidezäunen auffinden.
„Oftmals bleibt uns keine andere Möglichkeit, als das Tier von seinem Leiden zu erlösen“, bedauert Luttmann. Das sei vor allem dann der Fall, wenn sie bereits stark verletzt oder so aufgeregt sind, dass die Jäger sie nicht mehr erreichen können. Werden die Tiere noch in den ersten 24 Stunden gefunden, ist die Chance groß, dass sie befreit werden und sich erholen können. In vielen Fällen schleppen die Dammhirsche die verhedderten Zäune jedoch eine ganze Zeit lang mit sich herum. So auch das Wildtier, das Joost gefunden hatte. Die nächste gelegene Weide sei mehrere hundert Meter entfernt gelegen. „Die Gefahr ist groß, dass die Tiere irgendwo hängen bleiben, wo sie nicht von Menschen gefunden werden“, so Luttmann.
Der Appell der Jäger lautet daher, die Weidezäune abzubauen, wenn sie nicht mehr benötigt werden. „Ich weiß, dass das lästig sein kann, aber es geht dabei um das Wohl der Tiere.“