VON HEINER ALBRECHT
Thedinghausen – Jahr für Jahr sterben tausende junger Rehkitze in den deutschen Wiesen durch die Schneidwerke der Mähmaschinen der Landwirtschaft.
Im Frühjahr ist das Problem besonders groß: Junge Rehkitze leben und verstecken sich im hohen Gras der Felder und Wiesen. Die Landwirte müssen große Flächen dann aber mähen, um Futter und Silage für ihr Vieh zu schaffen. „Wir vom Hegering Wesermarsch möchten den hiesigen Landwirten helfen“, sagt Hegeringleiter Ralf Radeke. Leider sei es für die Landwirte nahezu unmöglich, die Wiesen vor der Mahd auf Rehkitze zu untersuchen. Und weil sie sehr teuer sind, lohnten sich für den Landwirt die Drohnen für diese kurze Einsatzzeit im Jahr nicht als Anschaffung.
„Die Landwirte sind nach dem Tierschutzgesetz sogar dazu verpflichtet, die Wiesen abzusuchen. Diese Verpflichtung wollen wir den Landwirten auch nicht nehmen, aber wir möchten unterstützen und bieten unsere Hilfe an“, erklärt der oberste Jäger in der Wesermarsch.
Der Grund, warum so viele Rehkitze zu Tode kommen ist ganz einfach: Anders wie oft angenommen und wie es erwachsene Rehe machen würden – springen die Jungtiere nicht beim Herannahen eines lauten Traktors und fliehen, sondern bleiben liegen und verstecken sich noch tiefer im Gras. Erkennt der Landwirt das Rehkitz nicht rechtzeitig vor dem Mähwerk, so führen die Mähmaschinen zu grausamen Verletzungen und Verstümmelungen, die „im besten Falle“ gleich zum Tod des Rehkitzes. „Vermeiden lässt sich dieses grausame Schauspiel durch eine Inspektion der Felder mittels Drohne und Kamera“, erklärt Radeke; zwar nicht zu 100 Prozent, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die meisten Tiere gefunden werden.
Solch eine Drohne mit Wärmebildkamera hat der Hegering kürzlich angeschafft. Die Kamera kann die warmen Rehkitz-Körper wesentlich besser im hohen Gras erfassen. Das muss in den frühen Morgenstunden geschehen. Die Rehkitze liegen oft tief im Gras versteckt und sind selbst mit bloßem Auge nicht erkennbar, selbst wenn man nur wenige Meter neben dem Versteck steht. Die Jäger bitten die Landwirte, möglichst 48 Stunden vor dem Mähen Bescheid zu gegen. „Dann verfahren wir im Windhundverfahren und helfen gerne“, so der Hegeringleiter.
Um die kostspielige Drohne anzuschaffen, hat der Hegering einiges an Spenden gesammelt. So zum Beispiel 4000 Euro vom Landwirtschaftsministerium, die Bingostiftung hat etwas gegeben und 1500 Euro kamen von der Volksband Aller Weser. „Und alle Jagdgenossenschaften im Hegering haben sich finanziell prozentual ihrer Fläche beteiligt“, lobt Radeke und zählt auf: die Jagdgenossenschaft Ahsen-Oetzen, Beppen, Blender, Einste, Holtum-Marsch, Intschede, Morsum, Ritzenbergen-Amedorf, Oiste, Wulmstorf sowie die Eigenjagd von Evers und Neddernhude.
Um eine Drohne fliegen zu dürfen, bedarf es der Führerscheine Al bis A3. Die Ausbildung unter Aufsicht des Luftfahrtbundesamtes läuft gerade noch. Der ehemalige Berufspilot Hans Würger aus Achim unterrichtet acht Drohnenpiloten.
„Wir haben die ersten Einsätze bereits geflogen“, teilt Radeke mit. Und die Aktionen waren von Erfolg gekrönt. Acht Rehkitze konnten so vor dem Tode bewahrt werden. Die Landwirte müssen den jeweiligen Revierpächter ansprechen, der dann Ralf Radeke als Koordinator informiert.